Verbrannte Träume.
erledigen hätte, vielleicht noch einmal mit dem Krankenhaus telefonieren möchte. Daß er mich gar nicht so lange habe aufhalten wollen. Dann verabschiedete er sich. Als ich die Wohnungstür hinter ihm geschlossen und den Schlüssel zweimal umgedreht hatte, fühlte ich mich so allein wie nie vorher. Vom Balkon aus schaute ich zu, wie er abfuhr. Er hatte versprochen, sich in einer Woche wieder zu melden, seine Hoffnung ausgedrückt, daß es Ulli bis dahin etwas besser ginge. Ich nahm an, daß er sich telefonisch melden wollte. Nur um sich nach Ullis Befinden zu erkundigen, mußte er nicht persönlich kommen. Bei der Gelegenheit wollte ich ihm sagen, daß Ulli tot sei. Und im stillen hoffte ich, daß er es dann nicht bei einem Telefonanruf bewenden ließ. Ich wußte nicht, was mit mir los war. Wollte es nicht wahrhaben, redete mir ein, daß ich Lutz Assenmacher nur nett fand, sympathisch. Daß ich ihn mochte, weil er Humor hatte, eine andere Art von Humor als Ulli. In den beiden Stunden mit ihm hatte ich nicht ein einziges Mal das Gefühl gehabt, daß er mich auf den Arm nahm oder sich über mich lustig machte. Ich hatte mich wohl gefühlt mit ihm. Ich hatte mich auch mit Ulli wohl gefühlt, aber anders. Das Mädchen aus dem Dorf, das nie groß genug werden konnte. Weil Dorfmädchen niemals neben großen Träumen bestehen können. Lutz Assenmacher in seiner schäbigen Windjacke, mit der gebrochenen Nase und der Stimme, die man gerne hört, wenn es hektisch wird oder traurig, Lutz Assenmacher war alles andere als ein Traum. Er war nur ein junger Mann in Ullis Alter. Ich sage es nicht gerne. Ich sollte es gar nicht sagen, wo ich erst zwei Tage vorher gehört hatte, daß mein Mann in seinem Auto verbrannt sei. Aber ich glaube, ich hatte mich in Lutz Assenmacher verliebt. Nur ein bißchen. Und vielleicht war es nur das Nach-dem-Strohhalm-greifen, wenn man absäuft. So fühlte ich mich, wie ins Wasser gefallen, ein tiefes und trübes Wasser, in dem allerlei Kram herumschwamm, den ich nicht erkennen konnte. Traubenzucker in einer Blechdose, der das ganz große Geld brachte, wenn man ihn richtig präsentierte. Der Satz ließ mich nicht los. Irgendwas hatte Lutz Assenmacher mit dieser Formulierung beabsichtigt. Und sein Blick dabei. Ich weiß nicht mehr, ob mir beim Nachdenken darüber zum erstenmal dieser scheußliche Verdacht kam. Doch, ich weiß es, er kam. Und er war so ungeheuerlich, daß ich so tun mußte, als hätte ich noch nie gehört oder gelesen, daß es Leute gab, die sich ihre Träume in die Adern spritzten oder sie durch die Nase hochzogen. Nachdem der rote Kadett verschwunden war, ging ich zurück in Ullis Zimmer, setzte die Schrauben ein, zog sie an und löste sie wieder, probierte mit der Platte herum. Abheben konnte ich sie nicht, aber verschieben. Das war nicht so schwer, wie ich gedacht hatte. Ich mußte nur aufpassen, daß ich sie nicht zu weit zur Seite schob, damit sie nicht kippte. Ich wollte mich noch eine halbe Stunde mit den Geschäftspapieren befassen. Aber ich hatte keine Lust mehr, drehte nur die Schrauben endgültig rein und drückte die Abdeckplättchen in die Schlitze, damit alles so aussah wie vorher. Es war plötzlich ungeheuer wichtig, daß alles so aussah wie vorher. Vorher hatte alles so gut ausgesehen, ein toller Mann, ein tolles Leben. Teure Wohnung, schicke Klamotten und absolute Freiheit. Und wie sah es jetzt aus? Ich war müde und deprimiert. Dabei war ich am Nachmittag auf der Polizeiwache noch glücklich gewesen, daß Ulli den Trauring am Finger getragen hatte. Jetzt frage ich mich; was sollte der Scheiß? Hatte er wieder irgendein Witzchen mit mir vor? Schau mal, Herzblatt, der liebe Ulli trägt das Zeichen unserer Verbundenheit an seiner rechten Hand! Und sich innerlich kugeln vor Lachen, wenn ich ein schlechtes Gewissen bekam und mich dreimal für den Krach entschuldigte. Mich aushorchen; nun erzähl schön, wer dich in der Kanzlei angerufen hat. Und hübsch bei der Wahrheit bleiben, wir haben doch keine Geheimnisse voreinander, wir sind verheiratet. Sekundenlang wünschte ich, ich hätte auf meine Eltern gehört, wenigstens in diesem Punkt. Ein undurchsichtiger Typ, hatte meine Mutter gesagt. Undurchsichtige Typen heiratete man nicht, bestimmt nicht heimlich. Man stand sich besser, wenn man sich für einen netten Jungen entschied, der Humor hatte. Auch wenn er nur eine schäbige Windjacke trug und die Raten für sein Auto nicht zahlen konnte. Am liebsten hätte ich mich ins
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