Verbrannte Träume.
könnte, in dieser Wohnung zu leben. Ich sagte ja, das könnte ich mir sehr gut vorstellen. Und im Geist sah ich mich in die Diele kommen, im Handstand, vorher hatte ich kontrolliert, ob die Fingernägel sauber sind. Ulli fragte:
»Willst du hier einziehen?«
Ich dachte; verarsch dich selbst, und zuckte mit den Schultern. Ulli fragte:
»Warum nicht? Wir kommen doch gut miteinander aus, wir verstehen uns. Du wärst hier ein freier Mensch. Du könntest tun und lassen, was du willst, wenn du dich an gewisse Regeln hältst.«
Das konnte ich mir besonders gut vorstellen. Regel Nummer eins: Füße gut abtreten. Regel Nummer zwei: Fusselfreie Handschuhe anziehen, bevor du eine Schranktür öffnest. Regel Nummer drei: Ausatmen bitte nur in die dafür vorgesehenen Behälter. Ich fragte mich, was ich tun sollte, wenn ich mal aufs Klo müßte. Bei den Nachbarn klingeln, was sonst! Und Ulli sagte:
»So oft würde ich dir nicht auf die Nerven gehen. Ich bin viel unterwegs. Aber wenn ich da bin.«
Er sprach nicht weiter, lächelte mich an, taxierte mich von oben bis unten.
»Es wird allmählich Zeit, daß ich mich nach einer Frau umsehe«, meinte er lässig.
»Aber es ist nicht so einfach, die Richtige zu finden. Ich habe eine bestimmte Vorstellung. Du kommst ihr ziemlich nahe.«
Ich konnte es nur langsam verarbeiten, einen Satz nach dem anderen. Viel unterwegs! Das klang verlockend. Keine Vorschriften, keine Argusaugen, keine unwilligen Blicke. Ich konnte das Bett frisch beziehen, bevor er nach Hause kam. Er bekäme die Wimperntuscheflecken in der Satinbettwäsche niemals zu Gesicht. Wird allmählich Zeit! Für mich wurde es nicht allmählich, sondern höchste Zeit. Ich mußte zu Hause raus, bevor ich den Verstand verlor. Eine bestimmte Vorstellung! Die hatte ich auch, und ich dachte immer noch, daß ich sie nie verwirklichen könnte. Und da saß er mir gegenüber, schaute mich an, wartete auf meine Antwort.
»Du kommst ihr ziemlich nahe!«
Und ich dachte; was heißt ziemlich? Wart’s nur ab, wenn ich hier eingezogen bin, dann werde ich deiner Vorstellung nicht nur entsprechen, ich werde besser sein. Deine Schrankwand polieren, deine Couchgarnitur dreimal die Woche absaugen, dein Bad scheuern, daß Meister Proper und der General vor Neid erblassen. Weil das alles dann nämlich nicht mehr nur dein ist, sondern auch mein. In dem Moment hörte ich die Glocken läuten. Himmelte ihn an, um es ihm leichter zu machen. Weil ich überzeugt war, daß er noch ein paar Sätze über Liebe einfließen lassen wollte und dann ab in die Heia. Aber er sagte nur:
»Fein, dann sind wir uns ja einig. Halten wir es für das nächste Wochenende fest. Hast du viel zu packen?«
Ich schüttelte den Kopf. Er stand auf und sagte:
»Gut, dann fahre ich dich jetzt heim, und du bereitest Papa Kahneel schonend vor. Damit er mir keine Beule ins Auto tritt, wenn ich nächsten Samstag deine Koffer einlade.«
Ein halbes Jahr war das her. Ich hatte es nicht fassen können. Bewundert hatte ich ihn und gedacht, er ist eben erwachsen. Ein Mann. Kein grüner Junge, der nach einem Abend in der Disco unbedingt beweisen muß, wie potent er ist. Er kann warten. Und jetzt dachte ich, kein Wunder, daß er so cool war. Er war ein Schneemann. Aber im Fernsehen waren das so schmierige Typen. Widerliche, dreckige Kerle, die man nicht mit der Kneifzange anfassen mochte. Und dann zogen sie diese Briefchen aus ihren schmuddeligen Jackentaschen … Ulli doch nicht! Das war völlig ausgeschlossen. Nachdem ich eine halbe Stunde hin und her gelaufen war, ging ich ins Wohnzimmer und versuchte noch einmal, Rene Link zu erreichen, wieder ohne Erfolg. Vielleicht war es besser so. Ich war hysterisch, ich hätte bestimmt etwas Dummes gesagt. Anschließend rief ich in der ›Klause‹ an. Ich mußte mit einem Menschen reden, ganz normal reden. Über das Wetter und Krankenhäuser, über Ulli, den erfolgreichen Geschäftsmann, der bei seinem ersten Unfall wahnsinnig viel Glück gehabt hatte. Ich hatte auch Glück. Diesmal wurde in der Klause abgenommen, natürlich von Marcia. Als sie hörte, wer am Apparat war, bat sie mich um ein bißchen Geduld und die Telefonnummer, unter der sie mich erreichen könnte. Sie wolle mich zurückrufen, wenn es etwas ruhiger würde. Im Moment sei viel zu tun, sagte sie. Ich hörte es, das Stimmengewirr und das Klavier im Hintergrund. Ich nannte ihr meine Nummer, war kaum mit der Vorwahl durch, da unterbrach Marcia mich bereits.
»Bist du etwa
Weitere Kostenlose Bücher