Verdacht auf Mord
rein?!, dachte sie. Ich kenne ihn schließlich kaum.
Aber gewisse Risiken ließen sich nicht vermeiden!
Vierzehntes Kapitel
Donnerstag, 19. September
T herese-Marie Dalin, auch Trissan genannt, hörte zuerst überhaupt nichts. In ihrem Kopf war nur ein leeres Brausen. Dann bereute sie es, ans Telefon gegangen zu sein.
Es war eine Frauenstimme. Als sich ihre erste Enttäuschung gelegt hatte, wollte sie nur eins: auflegen. Sie hatte den Verdacht, jemand wollte sie überreden, eine Versicherung abzuschließen. Sie dachte, lass sie ausreden und sag dann entschieden nein. Sie klingen immer gleich, vernünftig und überzeugend. Sie schoben ihren Schuh in den Türspalt, und das am Telefon. Aber die Stimme am Telefon war Besorgnis erregend vage und vorsichtig, fast demütig, und sie begann, sich zu schämen, dass sie nicht richtig hingehört hatte. Um das wiedergutzumachen, hielt sie den Atem an und drückte den Hörer fester ans Ohr, um doch noch etwas von der Botschaft aufzuschnappen, aber das half nichts, da sie auf der vollkommen falschen Spur war. In ihrem benommenen Zustand war es auch nicht sonderlich leicht, die Spur zu wechseln.
Sie war erst gegen drei ins Bett gefallen, alles andere als nüchtern. Sie überlegte, während sie den Hörer weiterhin ordentlich ans Ohr hielt, ob sie das mittlerweile wohl wieder war. Sie fixierte daher das Plakat an der gegenüberliegenden Wand, um zu sehen, ob es schaukelte.
Das war der Fall. Außerdem fühlten sich ihre Beine an wie gekochter Spargel. Sie ließ sich also auf den Stuhl fallen. Inzwischen hatte sie zumindest begriffen, dass etwas vorgefallen war. Oder, genauer gesagt, das Gegenteil.
Es war nichts vorgefallen.
Es war Emmys Mutter. Sie war weiterhin wahnsinnig freundlich, weswegen sich Trissan auch äußerste Mühe gab. Sie brummte höflich und hoffte nur, dass ihre trockene und belegte Stimme sie nicht verraten würde. Aber als sie versuchte, ihre Stimmbänder und ihre Zunge in Gebrauch zu nehmen, stellte sie fest, dass ihr nichts gehorchte. Die Worte purzelten einfach so hervor, verwaschen und vollständig willenlos.
Aber nichts schien Emmys Mama zu beeindrucken.
»Es tut mir leid, dass ich Sie stören muss! Sie finden das vielleicht übertrieben«, sagte sie und räusperte sich, während sie nach den passenden Worten suchte. »Haben Sie vielleicht eine Vorstellung, wo Emmy stecken könnte?«
»Nein«, stotterte Trissan.
Sie hatte nicht den blassesten Schimmer. Sie konnte sich noch so sehr anstrengen, aber die Frage interessierte sie nicht. Vielleicht war sie ein klein wenig neugierig, aber das war auch alles. Emmy lag vermutlich in den Armen ihres Märchenprinzen, wer auch immer das war. Vielleicht dieser Karl, dem sie schon so lange hinterherstarrte.
Aber das konnte sie natürlich nicht sagen.
»Sie geht weder ans Telefon noch ans Handy. Und auf SMS reagiert sie auch nicht. Ich habe nichts von ihr gehört. Seit zwei Tagen nicht mehr.«
»Ach?«
Trissan dachte darüber nach, wann sie sich zuletzt bei ihrer Mutter gemeldet hatte. Wenn das erst eine Woche her war, dann war das okay. Und sie hatten wirklich kein schlechtes Verhältnis. Dauernde Anrufe bei Muttern konnten natürlich auch recht normal sein, waren andererseits aber auch ein Anzeichen für ein zu ungebrochenes Verhältnis. Das war klassisch. Ein Muster, bei dem keine die andere loslassen konnte, nicht einmal einen Tag lang.
Sie hatte schließlich Psychologie studiert.
Sie erinnerte sich an die gemeinsame Wohnung in der Gyllenkroks Allé. Emmy, Cecilia und sie. Sie dachte daran, dass Emmy andauernd, fast ängstlich zu Hause bei ihren Eltern angerufen hatte. Immer recht kurz. Weder sie noch Cecilia hatten diese Quote je erreicht.
»Ich mache mir nicht direkt Sorgen«, sagte Emmys Mutter mit einem nervösen Lachen. Vermutlich fand sie selbst, dass sie lächerlich war.
»Nein, nein«, erwiderte Trissan mit rauer Stimme und fragte sich, was jetzt kommen würde.
»Glauben Sie, Sie könnten mir dabei behilflich sein, sie ausfindig zu machen?«
Meine Güte!
Im Kopf von Trissan explodierte etwas. Sich auf den Weg zu machen und Emmy zu suchen war das Letzte, wozu sie Lust hatte. Sie wollte einfach nur eines: wieder ins Bett kriechen.
»Ich meine, Sie sind doch Emmys beste Freundin«, ließ sich die flehende Stimme von Emmys Mutter vernehmen.
Das gab den Ausschlag.
Emmys beste Freundin.
Die Worte bohrten sich in ihre Brust, die bereits wegen der weniger erfreulichen Nebeneffekte des Alkohols
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