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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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für die Zulassung am Gericht zu sammeln. Vielleicht würde es ihr in der Kanzlei ja so gut gefallen, dass sie gar nicht mehr ans Gericht ging. Das machten viele so. Nahmen irgendwelche anderen Angebote an.
    Sie gab sich ihren Träumen hin, weil sie sie zum Büffeln motivierten. Der Sinn der Sache war schließlich, eine interessante Arbeit zu finden, in der man wachsen konnte. Sie rackerte sich nicht ab, um anschließend arbeitslos zu werden.
    Sie betrachtete ihre Fingernägel. Die sahen wirklich furchtbar aus. Sie musste mit dem Nägelkauen aufhören, sonst musste sie zur Maniküre, und dafür fehlten ihr sowohl Zeit als auch Geld. Sie war gerade erst beim Zahnarzt gewesen, sich eine Klammer machen und ein Präparat zum Zähnebleichen geben lassen. Das machten alle. Aber sie hatte es nicht gewagt, ihrer Mutter davon zu erzählen. Sie hätte es vollkommen idiotisch gefunden, an ihren wunderbaren, jungen und gesunden Zähnen herumzumachen. Vielleicht würden sie auch für immer beschädigt werden. Wenn sie um Geld bat, behauptete sie einfach immer, sie bräuchte neue Kontaktlinsen.
    Die Stille beruhigte sie. Die Stadt schlief. Ihr gehörte die Nacht. Der Fernseher des Nachbarn unter ihr war leise zu hören. Er sah fast immer die ganze Nacht fern. Hatte wohl unregelmäßige Arbeitszeiten oder war arbeitslos. Vor einigen Tagen hatte man alle seine Möbel rausgetragen. Sie hatte geglaubt, er würde umziehen, aber noch gestern hatte sie ihn im Treppenhaus gesehen. Vielleicht hatte er ja neue Möbel bestellt, die noch nicht geliefert worden waren.
    Sie blätterte um und versuchte, sich zu konzentrieren.
    Als Erstes hörte sie, dass ein paar Zweige abgebrochen wurden. Sie bekam keine Angst, schließlich wohnte sie im dritten Stock, und blieb einfach sitzen. Vielleicht ein großer Hund, der auf das Rasenstück zwischen den Häusern und der großen Fliederhecke pinkeln wollte.
    Aber dann hörte sie es leise pfeifen, wie Vogelzwitschern frühmorgens Anfang Mai. Aber jetzt war September, und die Vögel waren schon lange verstummt. Sie glaubte, den Nachbarn unter ihr sein Fenster öffnen und schließen zu hören. Dann lauschte sie auf Schritte von der Treppe, hörte aber keine. Stattdessen war das halblaute Pfeifen wieder zu hören.
    Galt es etwa ihr?
    Sie schaltete die Schreibtischlampe aus und veränderte den Winkel der Jalousien, konnte aber trotzdem nicht bis nach unten schauen. Es raschelte im Laub, und wieder knackten Zweige. Ihr Herz schlug schneller, denn jetzt hörte sie leise, aber deutlich von unten ihren Namen.
    Wer war das?
    Sie zog die Jalousie hoch, aber das reichte nicht, sie konnte nur die Schatten der Fliederhecke sehen, also öffnete sie ihr Fenster, obwohl sie etwas Angst hatte, und beugte sich nach draußen. Es war schon sehr spät. Was für ein Idiot kam noch so spät?
    »Hallo!«
    Sein Gesicht leuchtete weiß, als er es ihr zuwandte. Er winkte ihr zu.
    Sie glaubte, falsch gesehen zu haben.
    »Meine Güte, du bist das! Warum hast du nicht vorher angerufen?«
    Sie versuchte leise zu sprechen, um die Nachbarn nicht zu wecken. Sie sah, dass zumindest der Mann unter ihr noch auf war, denn das Licht aus seiner Wohnung fiel als ein milchweißer Schein in die Nacht.
    »Ich habe mein Handy verloren«, zischte er zurück.
    Er war nicht direkt supergut aussehend, stellte sie in dem Moment fest, in dem sie ihr Fenster wieder zumachte, um dann nach unten zu laufen, um die Haustür aufzuschließen. Aber so war das eben. Sie schob die Tasche mit ihrem Trainingssachen beiseite, die mitten in der Diele stand. Ihr Inhalt war feucht. Sie hätte ihr Handtuch und ihre Kleider direkt nach dem Training in der Gerdahalle aufhängen sollen.
    Er war heute nicht da gewesen.
    Mein Lernpensum bleibt auf der Strecke, überlegte sie auf dem Weg die Treppe hinunter. Das passte ihr nicht. Jede Minute war so wertvoll wie ein Edelstein. Sie strebte in der Klausur die Bestnote an und hatte keine Lust, ein leeres Blatt abzugeben. Ihr graute davor, die Klausur wiederholen und noch einmal alles von neuem lernen zu müssen.
    Er störte!
    Und? Plötzlich war ihr dieser ständige Wettkampf verhasst. Dieser ermüdende, glanzlose Trott. Und sie hasste sich noch mehr dafür, dass sie immer so negativ war, dass sie sich nicht von ganzem Herzen darüber freuen konnte, dass einer ihrer Verehrer sie spät und spontan besuchte, sondern sich stattdessen ein Leben im Kloster wünschte.
    Sie schloss die Haustür auf.
    Wen zum Teufel lasse ich da eigentlich

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