Verdacht auf Mord
recht empfindlich war. Ihr Puls pochte ihr in den Ohren. Ich trinke nie mehr was, dachte sie und versuchte gleichzeitig, an den grauen Nebel zu denken, der in letzter Zeit über Emmys und ihrem Verhältnis gelegen hatte. So sollte es nicht sein. Unter Freunden hatte alles klar und deutlich zu sein.
Sie hatte keine Lust gehabt, überhaupt nur den Versuch zu machen zu begreifen, was geschehen war. Sie hatte eher gefunden, dass Freunde eben kamen und gingen, dass ihre gemeinsame Zeit vorüber war, weil die Chemie nicht mehr stimmte, sie hatten sich einander entfremdet. Und sie hatte ihre eventuelle Rolle bei dieser Entfremdung nicht sehen wollen.
Das tat weh.
Ihr fehlte Emmy und in der Tat auch Cecilia, die mit ihrer etwas lakonischen und humoristischen Art zu einer anderen, vielleicht etwas entspannteren Einstellung zur Karriere und zum Leben beigetragen hatte.
Eines war jedoch sicher, und das wurde ihr jetzt ganz deutlich, dass sie unter normalen Umständen genau gewusst hätte, wo Emmy wäre! Emmy hätte es ihr erzählt. Sie hätte es nicht sein lassen können. Sie hatten kaum Geheimnisse voreinander gehabt.
In letzter Zeit hatte Emmy kaum noch von sich hören lassen. Wenn sie sich jedoch ein seltenes Mal trafen, war seltsamerweise alles wie immer. Jedenfalls eine Weile lang. Wie beim letzten Mal, bevor sie Cecilia in der Klinik besucht hatten.
»Natürlich kann ich das«, hörte sie sich jetzt zu Emmys Mutter sagen.
»Das ist nett von ihnen. Es hat keine Eile … Aber es wäre auch gut, wenn Sie nicht so lange damit warten würden.«
Trissan hörte deutlich die Nachdrücklichkeit, die hinter der Vorsicht steckte. Sie musste dann wohl sofort los.
»Wo soll ich nach ihr suchen?«
Am anderen Ende der Leitung wurde es still.
»Könnten Sie vielleicht so nett sein und erst einmal zu ihr nach Hause fahren? Sonst wüsste ich nicht …«
Sie verstummte.
»Sie wissen das vermutlich selbst am besten«, sagte Emmys Mutter dann mit kräftigerer Stimme und überließ die Verantwortung damit Trissan.
Es war halb elf. Trissan wurde bei dem Gedanken, gleich losradeln zu müssen, ganz matt, aber jetzt hatte sie es versprochen.
Sie hielt ihr Gesicht unter kaltes Wasser und trank einen ganzen Literkarton Orangensaft, zog ihre Jeans und einen Pullover an und steckte alle Telefonnummern von Emmys Mutter ein. Bei der Arbeit, zu Hause und Handy. Dann nahm sie den Fahrstuhl nach unten und schob ihr Fahrrad vom Hof. Sicherheitshalber rief sie bei Emmy an, als sie vor ihrem Haus in der Bytaregatan stand. Auf Emmys Handy antwortete niemand. Unter der Festnetznummer ebenfalls nicht. Aber darüber musste man schließlich nicht gleich aus dem Häuschen geraten.
Emmy wohnte im Stadtteil Väster, also richtiggehend auf dem Land, die Ärmste, aber dort würde sie sicher nicht ewig verkümmern. Trissan fetzte am Grand Hotel vorbei, durch die Eisenbahnunterführung, an der Klosterkyrkan vorbei, schräg auf das Gericht zu, kam am Polizeipräsidium vorbei, fuhr dann ein kurzes Stück den Fjelievägen entlang, bog daraufhin auf den Fahrradweg ein, der hinter den hübschen gelben Eisenbahnerhäusern vorbeiführte. Als sie so weit war, war sie vollkommen erschöpft und strampelte immer langsamer. Zwei Gentlemen spielten auf dem zentralen Sportplatz Tennis, die Bahnen für die Läufer und die Rasenflächen waren menschenleer. Ganz aus der Puste kam sie an einem kleineren Park vorbei, der so überwuchert war, dass sie an einem dunklen Abend sicher einen anderen Weg gewählt hätte. Vor allem nach dem, was Cecilia zugestoßen war. Worüber sie bisher nur auf Schlagzeilen und in der Zeitung gelesen hatte, war jetzt direkt in ihr eigenes Leben eingedrungen.
Aber jetzt war schließlich heller Tag.
Sie hatte Glück, am Fasanvägen war die Ampel auf Grün. In ihren Gedanken gingen Emmy und Cecilia durcheinander. Ihr Herz pochte immer noch ganz schnell. Ihr Pullover klebte am Rücken, obwohl sie nicht mehr so schnell radelte. Sie wurde noch langsamer. Ihr Haar stand in alle Richtungen, sie war ungeduscht, aber hatte zumindest die Zähne geputzt, ehe sie losgeradelt war. Sie war so durstig wie jemand, der sich in der Wüste verlaufen hat, und ihr war etwas übel. Langsam radelte sie den Fuß- und Fahrradweg nach Papegojlyckan weiter. Langsam begann sie sich Sorgen darüber zu machen, was sie tun sollte, falls Emmy nicht zu Hause war. Auf weitere und längere Ausflüge hatte sie irgendwie keine Lust. Sie wollte nach Hause, eine Kopfschmerztablette
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