Verdacht auf Mord
Zimmerverteilung. Wie war das eigentlich zugegangen? Hatte es sich einfach so ergeben, dass sie das kleinste Zimmer bekommen hatte? Es war so winzig, dass man ohne Zuhilfenahme eines Schuhlöffels kaum eine zweite Person hineinbekam. War es Zufall gewesen, dass Emmy und Trissan die beiden größeren Zimmer zur Straße bekommen hatten? Zufall oder Glück oder wie auch immer sie es genannt hatten. Nicht die Bohne! Sie war einfach vor vollendete Tatsachen gestellt worden. Emmy und Trissan hatten rechtzeitig ihr Revier abgesteckt, um dann so tun zu können, als sei alles nur ein Zufall gewesen. Sie hatten ihre Taschen und Kartons einfach in die besten Zimmer gestellt.
»Irgendwo mussten wir sie schließlich hinstellen«, hatte Emmy gesagt und sich um einen betrübten Gesichtsausdruck bemüht. Sie hatte aber auch durchblicken lassen, dass zum Tausch keine Bereitschaft bestehe. Emmy und Trissan hatten sich hinter ihrem Rücken geeinigt. Sie hatten die Sache gar nicht erst ausdiskutiert, was doch Trissan sonst immer so wichtig war. Schließlich studierte sie Psychologie. Sie hatten so getan, als hätten sie sie einfach vergessen. Was ist schon ein Jahr?, hatte Cecilia damals gedacht. Deswegen hatte sie keinen Aufstand veranstalten wollen, schließlich hatte sie es ein fahr lang unter einem Dach mit ihnen aushalten müssen. Und irgendjemand hatte schließlich in der Dienstbotenkammer wohnen müssen, und vielleicht hätte es sie ja auch erwischt, wenn sie gelost hätten.
»Man muss sich wirklich alles sehr genau vorher überlegen«, murmelte sie halblaut, als sie die Treppe hinunterging. Sich absprechen. Deutlich werden. Obwohl das schwer war.
Aber die Miete hatten sie dann schwesterlich durch drei geteilt.
»Schließlich benutzen sowieso alle vorwiegend die Küche und das Wohnzimmer, nicht wahr?«, hatte Emmy gemeint und sie mit ihren dunkelbraunen, ruhigen Augen angesehen. Als hätte sie schon einmal geübt, wie man vor Gericht auftrat. Klar und energisch und ohne Gefühle zu zeigen.
Und Cecilia hatte ihr aus irgendwelchen unerklärlichen Gründen nicht zu widersprechen gewagt. Wahrscheinlich war sie feige. Vielleicht hatte es aber auch daran gelegen, dass die anderen zu zweit gewesen waren und sie allein.
Emmy studierte Jura, und Trissan, die eigentlich Therese-Marie hieß, wollte Psychologin werden. Cecilia wusste noch nicht so recht, was sie werden wollte. Sie war nicht so zielstrebig. Sie gehörte zu den Leuten, die alles Mögliche ausprobierten. Das konnte hin und wieder recht anstrengend sein. Vor allem wenn sie die falsche Richtung eingeschlagen hatte. Wenn sie nicht recht wusste, welcher ihrer vielen Wünsche am dringlichsten war. Wenn sie verschiedene Dinge gleichzeitig tun wollte. Wenn sie aufregende Leute kennenlernen wollte, aber gleichzeitig allein sein und lesen und schreiben wollte. Wenn sie anderen helfen und zuhören und Ratschläge geben und gleichzeitig selbst etwas Wichtiges erzählen, sich in ein Problem vertiefen und sich Klarheit verschaffen wollte. Vielleicht in ein wichtiges gesellschaftliches Problem? Aber die Frage wäre dann auch gewesen, welches.
Recht oft wünschte sie sich, alles sei vorbei. Sie wollte zwar nicht unverzüglich in Rente gehen, aber sie hätte gerne ihren Platz im Leben gefunden haben und alles seinen Gang nehmen lassen wollen.
Die Bücher in Volkskunde, Literaturwissenschaft und Nordistik hatte sie eingepackt. Sie besaß ja auch kein Bücherregal. Vielleicht konnte sie sich Karl ja für einen Ausflug zu Ikea ausleihen? Ylva anbieten, ebenfalls mitzukommen. Aber dann hatten sie in dem Auto natürlich nicht mehr sonderlich viel Platz. Und sie brauchte wirklich einiges. Falls ihr Geld reichte.
Montag würde alles wieder anfangen. Sie würde im Studentensekretariat im Helgonavägen sitzen, Skripten verkaufen und Fragen von Erstsemestern beantworten. Es war ihr gelungen, am Institut für nordische Sprachen eine halbe Stelle zu bekommen. Das war gut, weil sie jetzt ihre Eigentumswohnung abbezahlen musste. Die restliche Zeit wollte sie weiterstudieren. Diesen Beschluss hatte sie gefasst, als ihr großer Berufstraum zunichte geworden war.
Drei Monate lang war sie zwei Stunden am Tag, eine Stunde in jeder Richtung, mit dem Pågazug nach Hässleholm gependelt, ständig übermüdet, und hatte die Erfahrung machen müssen, dass das Leben in einer Zeitungsredaktion zu einseitig war. Immer dasselbe. Sie hatte sich innerlich grau und bleiern gefühlt, vielleicht hauptsächlich aus
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