Verdacht auf Mord
Sie streckte sich auf der unbezogenen Matratze auf dem Bodén aus und starrte an die Decke. Sie hatte keine Lust, in den Kartons zu wühlen und auszupacken. Im Prinzip hatte sie dafür noch ihr ganzes Leben lang Zeit. Also starrte sie an die Decke und betrachtete die Wände. Fühlte sich glücklich. Alles weiß und frisch gestrichen.
Als Karl zurückkam, schlief sie natürlich.
»Habe ich dich geweckt?«
»Und wenn, das war gut.«
Sie schaute sich schlaftrunken um. Lauschte auf die neuen Geräusche. Auf Autos, die näher vorbeifuhren. Sie war vom vierten Stock in den zweiten gezogen.
Draußen war es noch hell. Sie hatte noch keine Lampen, fiel ihr ein. Wenn sie in der Nacht nach Hause kam, musste sie sich ihren Weg ertasten oder das Licht auf der Toilette anknipsen und die Tür offen stehen lassen.
»Nette Bude«, meinte Karl. Er hatte sich auf eine Kiste gesetzt und hielt einen Karton mit einer weichen Pizza in den Händen. »Hast du sie gekauft?«
Sie nickte.
»Muss ein gutes Gefühl sein, Geld zu haben.«
Sie löffelte ihren Erdbeerjoghurt. Er trank Bier.
»Ich habe Geld von meiner Großmutter geerbt«, sagte sie leise.
Sie hatte keinen Grund, sich deswegen zu schämen. Sie hatte sogar noch etwas Geld übrig, eine gute Reserve, falls der Kühlschrank kaputtgehen, die Toilettenspülung Probleme machen oder ein Rohr brechen würde, wie Claes gesagt hatte. Dass er immer so übertreiben musste. Immerhin wirkte es recht unwahrscheinlich, dass alles gleichzeitig passieren würde, aber sicher war man natürlich nie.
Jedenfalls hatte sie sich um das meiste selbst gekümmert. Die Anzeigen studiert, viele Wohnungen besichtigt, angerufen und sich durchgefragt, den Papierkram erledigt und mit der Bank verhandelt. Sie hatte alles im Griff und war darüber sehr zufrieden.
Die Wohnung war nicht luxuriös, zweiunddreißig Quadratmeter, ein Zimmer zur Straße und eine Küche, in der man sitzen konnte, zum Hof. Eine kleine Diele und zwischen Zimmer und Küche das winzige Bad. Niemand konnte sich hier reinzwängen, und niemand würde sich in ihre Angelegenheiten einmischen. Nichts war »gemeinschaftlich« wie in der Wohnung in der Gyllenkroks Allé oder in dem gemeinhin als Parentesen bezeichneten verwohnten Studentenwohnheim, von dem aus man in zwei Minuten am Mårtenstorget und im Spirituosenladen war. Besser als so hatte man eigentlich nicht wohnen können, aber sie war trotzdem Hals über Kopf geflohen.
Bereits am ersten Tag im Studentenwohnheim hatte sie einen schönen Mann in der Gemeinschaftsküche kennengelernt und sich bis über beide Ohren in ihn verliebt. Ein sprühendes Feuerwerk hatte sie mitgerissen, weit weg von der Erde, sodass sie hoch über den Wolken geschwebt war und nur noch eines im Sinn gehabt hatte, nämlich den schönsten Mann, der ihr je begegnet war.
Jonathan.
Aber so etwas ermüdete auf Dauer oder enttäuschte. Oder demütigte sehr.
Seither hatte sie ihn aus ihrem Bewusstsein verbannt, bis weit hinter den Horizont, und sie war fest entschlossen, denselben Fehler nicht noch einmal zu begehen.
Jetzt hatte er also eine Neue. Noch eine. Natürlich hatte er das. Immer wieder Neue. Die Stadt war kleiner, als man meinen würde, trotz ihrer gut vierzigtausend Studenten. Dass sich einige von diesen immer wieder begegneten wie die Zähne zweier Zahnräder war weiter nicht bemerkenswert.
Mit angezogenen Knien saß sie auf ihrer Matratze. Sie hatte nicht die Kraft aufzustehen. Sie stellte den leeren Joghurtbecher auf die Fensterbank und zuckte zusammen, als das Handy in Karls Jackentasche klingelte. Sie sah, dass er rasch zu ihr hinübersah, sich dann abwandte und es aus der Tasche zog.
»Hallo«, hörte sie ihn sagen, knapp und so, als hätte er ein schlechtes Gewissen. »Gut, dass du anrufst. Ich komme gleich.«
Klang er froh? Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Cecilia sagte nichts, saß weiterhin mit den Armen um die Beine da und legte den Kopf auf die Knie.
»Das war Ylva«, sagte Karl.
Sie nickte.
»Ich muss gehen.«
Sie nickte erneut.
»Danke für deine Hilfe«, rief sie ihm hinterher, gerade als die Tür hinter ihm zufiel.
Sie war zu erschöpft, um aufzustehen. Licht fiel ins Zimmer. Der Wasserhahn in der Küche tropfte. Schließlich kam sie auf die Beine und drehte den Wasserhahn zu. Sie stellte sich ins Küchenfenster und betrachtete eine Amsel, die beharrlich an einem Regenwurm zerrte.
Ein friedlicher Augustabend in den eigenen vier Wänden, dachte sie zufrieden.
Natürlich
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