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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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September verübt worden, und da waren die Abende noch nicht dunkel gewesen.
    Die Decke ruhte auf eleganten Säulen. Hinter den gerundeten Wänden lagen die Vorlesungssäle. Jensen fand das Ambiente recht ansprechend. Hell und nicht so eckig und krankenhauskorridormäßig.
    Plötzlich wurde eine Tür geöffnet, und das Geräusch von Stimmen drang nach draußen. Gillis Jensen blieb stehen. Kurze Zeit später verließen alle Studenten den Saal und entfernten sich in unterschiedliche Richtungen. Eine Person verschwand auf der Toilette, einige strebten an ihm vorbei einen schmalen Gang entlang zum Hinterausgang des Blocks, den man kennen musste, um ihn überhaupt zu finden. Die meisten gelangten auf einen Korridor, der, von den Fahrstühlen aus gesehen, in entgegengesetzter Richtung zur großen Eingangshalle führte.
    Nur eine Hand voll Studenten ging zu den Aufzügen. Kein einziger Medizinstudent hatte sich bei der Polizei gemeldet.
    Innerhalb einer Minute waren alle Studenten verschwunden. Wahrscheinlich eilten sie jetzt nach Hause zu ihren Büchern. Er schaute auf die große Uhr, die weit oben an einer der Säulen befestigt war. Kurz nach drei.
    Er machte kehrt. Folgte den Schildern, dieses Mal jedoch in entgegengesetzter Richtung, und zwar zur Notaufnahme. Dass es sich um einen Schleichweg handelte, ging schon daraus hervor, dass die Buchstaben auf den Schildern klein waren. Patienten, die nicht aus dem Gebäude kamen, sollten das große Portal auf der Rückseite des Blockes benutzen, wo die neue Notaufnahme neuerdings lag.
    Hatte Bodén dorthin gewollt? War er seinem Mörder hier oder in der Eingangshalle begegnet oder vielleicht sogar vor der Klinik? Oder war es jemand gewesen, der von der Notaufnahme oder aus einem der Tunnel gekommen war? Hatte es sich um eine Verabredung gehandelt, die eskaliert war? Hatten sie sich aus unerfindlichen Gründen hier verabredet gehabt? War es ein Student gewesen?

    Christina Löfgren stand über den Schnitt gebeugt. Sie schloss die dicke und blutende Öffnung in der Gebärmutter. Sie nähte rasch und mit gleichmäßigen Stichen. Die Blutung stoppte. Gustav Stjärne schnitt den Faden ab. Sie tupfte das Blut ab. Sie hatte den Eindruck, dass sich die Gebärmutter gut zusammengezogen hatte. Sie arbeitete konzentriert und ohne ein Wort zu sagen. Die Frau befand sich in Narkose. Alles war gut gelaufen. Der Vater befand sich draußen bei dem Kind, das nach dem Kaiserschnitt etwas apathisch gewirkt hatte. Aber laut den Berichten aus dem Vorraum ging es dem Mädchen langsam besser. Der Kinderarzt war dort.
    Christina biss hinter dem Mundschutz die Zähne zusammen und versuchte, sich nicht über Stjärne aufzuregen. Sie schaute nicht mal hoch. Er stand auf der anderen Seite des OP-Tisches. Sie bat die OP-Schwester um Haken für Stjärne, und diese reichte sie. Christina erhielt eine Pinzette und eine neue Nadel und neuen Faden, ohne dass sie darum gebeten hätte. Stjärne hielt mit den Haken die Kanten auseinander, während sie die Fascia zusammennähte. Immerhin konnte er inzwischen besser assistieren, stellte sie fest. Er war ihr nicht mit Gewebe und Fingern im Weg. Er stand nicht nur blöde rum, glotzte und ließ die Arme hängen.
    Aber das meiste wäre zweifellos einfacher gewesen und schneller gegangen, wenn sie ihn nicht dauernd an der Backe gehabt hätte.
    »Tücher, Instrumente und Nadeln sind gerichtet«, sagte die OP-Schwester.
    »Danke«, erwiderte sie und verknotete den Faden. Dann hielt sie das Fadenende hoch. Stjärne war rasch mit der Schere zur Stelle und schnitt ab. Dann konnte er gehen.
    »Sie werden auf der Entbindungsstation gebraucht«, sagte sie und sah ihm zum ersten Mal direkt in die Augen.
    Er nickte und verschwand. Sie entledigte sich ihrer Handschuhe und des Mundschutzes und ging, um den Bericht zu diktieren. Sie sah gerade noch seinen grünen Rücken den Gang entlang verschwinden.
    Er geht selbstbewusst, dachte sie noch, ehe er um die Ecke herum verschwand. Seltsam, so viel hat er doch wirklich nicht zu bieten. Außer möglicherweise, dass er ein Mann war, aber daran wollte sie gar nicht erst denken, denn dann stieg ihr Blutdruck. Offenbar hatte er auch den richtigen Hintergrund, um sich durchzusetzen. Einen berühmten Vater. Dozent Eskil Nordin hatte sich bereits seiner angenommen. Stjärne habe Talent für die Forschung, hatte Nordin gesagt.
    Ihrer Meinung nach wäre das in diesem Fall das Einzige gewesen. Sie hatte ihm alles von Grund auf beibringen müssen.

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