Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
Vom Netzwerk:
den Schuppen stellen«, sagte ihre Mutter. »Ich habe unseren Plunder beiseitegeräumt. Es gibt also Platz.«
    Hinter ihrer Mutter ging die Tür auf und wieder zu. Das geschah die ganze Zeit. Ester konnte es nicht lassen, das Kommen und Gehen zu beobachten. Jetzt sah sie wieder hoch. Gustav Stjärne kam gerade herein. Er war allein. Sie nickten sich zu.
    »Wer war das?«, flüsterte ihre Mutter und drehte sich um.
    »Einer von den neuen Ärzten.«
    »Sieht nett aus«, meinte ihre Mutter und lächelte ihr aufmunternd zu.
    Ester entgegnete nichts. Sie schob den Knoten an ihrem Hinterkopf zurecht. Kürzeres Haar kräuselte sich in ihrem Nacken. Sie trug ein eng anliegendes blaulila Top, und im Ausschnitt traten ihre Schlüsselbeine hervor. Im Fenster konnte sie undeutlich ihr Spiegelbild erkennen. Nicht übel, dachte sie. Sie schaute erst wieder in die Richtung von Gustav Stjärne, als sie sich sicher war, dass er nicht zu ihr herübersah.
    »Ich lege dir einen Zettel auf den Küchentisch, wann wir wieder zu Hause sind und wo du uns telefonisch erreichen kannst. Und dann darfst du nicht vergessen, die Blumen zu gießen!«
    »Natürlich nicht.«
    Ester stöhnte leise, lächelte ihrer Mutter aber zu. Sie wollte nur ihr Bestes. Dass ihre Mutter Leo eigentlich nie gemocht hatte, hatte sich erst nach dem Bruch herausgestellt.
    »Er ist zu sehr mit sich selbst beschäftigt«, hatte ihre Mutter etwas wichtigtuerisch gemeint. »Das habe ich sofort gemerkt.«
    Da hatte sie dann ganz spontan Leo und die Entscheidung, die sie einmal getroffen hatte, verteidigt. Ganz falsch war er doch nicht. Er hatte auch seine guten Seiten.
    Aber das war unnötig gewesen, als hätte sie offene Türen eingerannt. Denn natürlich hatten auch ihre Eltern eingesehen, dass Leo auch gute Seiten besaß, er war vielleicht nur nicht der geeignete Mann für ihre Tochter gewesen.
    Gustav Stjärne hatte auf einem Barhocker am Fenster Platz genommen und schaute auf den Stortorget. Draußen war es schwarz vor Menschen. Immer noch saßen Leute mit Decken um den Beinen an den Tischen im Freien. Zwischen ihr und Gustav war Platz, dort gingen Leute durch, aber zwischendurch war es dort leer.
    Nein, mit ihm würde sie sich nicht einlassen, nicht aus dem Regen in die Traufe. So viel Grips hatte sie doch noch. Aber sie sehnte sich nach zwei Armen. Aber sie sollten kräftig sein und ihr Geborgenheit geben.

    Es war Freitagnachmittag, und Direktorin Kerstin Malm wollte eigentlich nach Hause gehen, aber kurz nach dem Mittagessen hatte Kriminalkommissar Claesson angerufen und dringend um einen Termin gebeten.
    »Hat das nicht bis Montag Zeit? Da kann ich mich freimachen«, schlug sie mit ihrer Direktorinnenstimme vor, energisch und nachdrücklich.
    Sie hatte sich in Gedanken bereits mit einem Glas Rotwein in ihr bequemes Sofa zu Hause sinken lassen, eine einfache Mahlzeit und die Fernbedienung in bequemer Reichweite. Ihr Mann und sie hatten sich diese angenehme Gewohnheit oder vielleicht auch Unart zugelegt, seit die Kinder aus dem Haus waren. Sie genossen das.
    Ganz so gefühlvoll, dass er sie auf Knien angefleht hätte, war der Kommissar dann nicht gewesen, und er hatte darauf beharrt, bei ihr zu erscheinen. Seine Stimme hatte fast so viel Autorität gehabt wie die ihre. Ansonsten war er aber ein ganz netter Mensch. Und als sie sich einmal damit abgefunden hatte, musste sie sich eingestehen, dass sie im Grunde genommen auch recht neugierig war.
    Sie hatte also getan, worum er sie gebeten hatte. Mit praktischen Fragen hatte sie nur selten Probleme. Eine der Schulsekretärinnen hatte das angeforderte Material aus dem Archiv holen müssen, was ein Weilchen dauerte. Klassenfotos, Namenslisten sowie Halbjahres- und Abgangsnoten aus einer bestimmten Zeit lagen nun in ordentlichen Stapeln auf ihrem Schreibtisch. Niemand sollte sie der Ungefälligkeit beschuldigen können. Niemand sollte sagen können, sie hätte eine Ermittlung behindert, bei der es darum ging, den brutalen Mord an einem Lehrer ihrer Schule aufzuklären.
    Es wurde natürlich geredet, aber das Schlimmste war bereits überstanden. So war es meist. Die Wellen glätteten sich, und man ging wieder zur Tagesordnung über. Vor allem weil der Mord dreihundert Kilometer von zu Hause verübt worden war. Das Interesse nahm mit zunehmendem Abstand ab, das galt sowohl zeitlich als auch räumlich.
    Ihr eigenes Interesse unterschied sich in diesem Punkt auch nicht. Es war abgekühlt. Sie hatte anderes zu tun. Aber jetzt

Weitere Kostenlose Bücher