Verdacht auf Mord
die Wolldecke über sich und versuchte sich auf den Film zu konzentrieren. Aber dann meinte sie, die Geräusche erneut zu hören, das Knacken von Zweigen, dumpfe Schritte, aber jetzt aus der anderen Richtung, von der Haustür. Schlich jemand um das Haus?
Sie zwang sich aufzustehen, ging auf Zehenspitzen in die Diele, nahm ihr Handy aus ihrer Handtasche und steckte es in die Tasche ihrer Jeans. Dann kehrte sie zum Sofa zurück. Aber jetzt war der Film irgendwie ruiniert.
Es verging eine Viertelstunde, da hörte sie erneut dieses schleifende Geräusch, wie Zweige und Blätter, die an etwas entlangschrammen. Einbrecher!, kam es ihr plötzlich in den Sinn. Sie wussten vielleicht, dass ihre Eltern verreist waren. Sie hatten vielleicht gesehen, wie das Taxi sie mit ihren Koffern abgeholt hatte.
Sie musste die Gardinen vorziehen, sonst würde sie gar nichts von dem Film haben. Sie ging wieder zur Terrassentür, lehnte sich gegen die Scheibe und presste das Gesicht gegen das Glas. Bei dem Gedanken, dass sie vielleicht nur ein paar Zentimeter von dem Unbekannten trennten, der draußen lauerte, schauderte es sie. Sie wagte kaum, sich zu bewegen, und traute sich nicht einmal, die Gardinen vorzuziehen. Sie schaute in Richtung Diele, wagte sich aber auch nicht dorthin.
Die Haustür. Hatte sie sie überhaupt abgeschlossen? Sie versuchte sich zu erinnern. Das hatte sie doch wohl getan? Sie musste nachsehen, hatte aber das Gefühl, dass ihre Beine sie nicht mehr so recht trugen. Sie schaute wieder aus dem Fenster und stellte wieder einmal fest, dass wirklich niemand aufs Grundstück schauen konnte. Büsche und Bäume betteten das Haus ein. Die Nachbarn waren zwar irgendwo dahinter, aber sie konnte kein einziges erleuchtetes Fenster sehen.
Sie sah nur die Nacht.
Plötzlich krachte es, und ein weißes Gesicht wurde gegen die Scheibe gepresst. Entsetzt starrte sie nach draußen und hätte sich vor Angst fast in die Hose gemacht.
Dann schrie sie.
Aber das Gesicht hinter der Scheibe lächelte unverzagt. Die Nase und die Lippen waren platt. Dann nickte es fröhlich, wie eine Puppe.
Er erlaubte sich einen Spaß mit ihr. Aber sie starrte ihn nur ratlos und hilflos an.
Dann klopfte er vorsichtig an die Scheibe.
»Lass mich endlich rein!«
»Meine Güte! Bist du das?«, sagte sie, als sie nach einem gewissen Zögern endlich die Terrassentür öffnete.
Lachend trat er ins Wohnzimmer.
Gillis Jensen wohnte in Vallkärra, einem Dorf kurz vor Lund, im Nordwesten. Bei der weiß gestrichenen Kirche oben auf dem Hügel, die aus dem zwölften Jahrhundert war, habe der Endkampf der großen Schlacht von Lund im Jahre 1676 stattgefunden, erzählte er.
Sie leiteten den Abend mit einem Whisky ein und machten anschließend einen Spaziergang. Veronika trank nichts, sie sagte, sie müsse fahren. Neben der Kirche lag die Schule. Das kleine Dorf war noch ein intaktes Idyll. Das Ehepaar Jensen wohnte in einem neueren Teil des Dorfes, der in der Nähe eines Waldfriedhofs lag.
»Die Schlacht bei Lund war ein wahnsinniges Blutbad, in dem die Schweden schließlich siegten«, sagte Jensen. »Aber die Dänen, die den Krieg angefangen hatten, um Schonen zurückzuerobern, machten weiter. Sie bedienten sich der Strategie der verbrannten Erde und legten Höfe und Häuser bis hinein ins Stadtzentrum in Schutt und Asche. Beinahe hätte es auch den Dom erwischt. Man erwog sogar, die Universität zu verlegen, die bereits 1668 gegründet worden war, aber daraus wurde nichts. Diese Brandschatzung von 1678 war das Ende der blühenden Renaissance in Lund. Im Jahr darauf begannen Friedensverhandlungen mit internationalen Schlichtern. Es ging um die Frage, zu welchem Land die Provinzen Blekinge, Halland und Schonen gehören sollten. Alles blieb bei Schweden, wie jeder weiß! Und hätte Lund damals nicht seine Universität behalten, wäre die Stadt heute ein Provinznest.«
Jensens hatten keine Enkel. Noch nicht, meinte Ingegerd und folgte Klara nervös mit dem Blick. Das erste Enkelkind sei jedoch unterwegs.
Schließlich räusperte sich Veronika.
»Vielleicht sollten Sie die Gegenstände, um die Sie sich Sorgen machen, wegräumen. Diese hübsche Vase beispielsweise.«
Alles lachte.
»Tja, dann bereite ich mich jetzt schon vor«, meinte Ingegerd und stellte die zerbrechlichsten Gegenstände weg.
Der Garten war üppiger und bunter, als das bei ihrer kargen småländischen Erde möglich war. Schonen war die Kornkammer Schwedens, das hatten sie schon in der Schule
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