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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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vollkommen aus dem Takt geraten, aber natürlich nahmen sie die Einladung dankend an.
    »Dann fahren wir«, sagte Jensen zu Claesson und ging auf einen Saab zu.
    Lund war keine Stadt, in der man ungestraft Auto fuhr. Sie bestand aus einem Gewirr von Einbahnstraßen und Sackgassen. Mittelalterliche Städte eigneten sich nur selten für modernen Autoverkehr. Deswegen fuhren auch alle mit dem Fahrrad. Es gäbe nichts in Lund, was sich nicht mit dem Rad erreichen ließe, behauptete Jensen. Die Stadt war rund und wuchs in alle Himmelsrichtungen auf die Äcker hinaus.
    Jetzt waren sie zu einem Wohnviertel im Süden namens Klostergården unterwegs. Jensen fand die Straße natürlich sofort. Mit dem richtigen Haus und Treppenaufgang in dem großen Komplex hatten sie dann mehr Mühe. Die Adresse lautete Virvelvindsvägen, eine U-förmige Straße, an der zum Teil recht hohe Häuser mit Innenhöfen lagen. Jensen erläuterte, dass es hier sowohl Eigentumswohnungen als auch Mietwohnungen gab. Das Viertel war in den Sechzigerjahren gebaut worden und inzwischen recht beliebt, und die Preise waren in die Höhe geschossen. Ruhige, gut geschnittene Wohnungen, viel Grün, gute Schulen. Einige Wohnungen boten eine Aussicht über den Öresund bis nach Kopenhagen.
    Sie erwarte sie und habe erkältet geklungen, sagte Jensen.
    Das war sie wirklich. Melinda Selander. Ihre Nase war feuerrot, und ihre Augen tränten, als sie ihnen öffnete. Sie wohnte im zweiten Stock in einer Zweizimmerwohnung mit Aussicht zum Hof.
    Claesson erkannte sie vom Klassenfoto. Sie hatte sich kaum verändert, nur ihre Gesichtszüge waren schärfer geworden. Außerdem trug sie keine Ponyfrisur mehr. Ihr kräftiges Haar wurde auf dem Rücken von einem Band zusammengehalten. Claesson hatte noch nie so lange Haare gesehen. Sie sah aus wie ein Waldgeist. Ihre Augen blickten furchtloser als auf dem Foto. Eigentlich ohne jegliche Furcht. Auch heute trug sie einen langen, weiten Rock aus fließendem Stoff und ein kurzes Jäckchen über einem Pullover.
    Die Wohnung war nett mit einem Gemisch aus alten und neuen Möbeln eingerichtet. Fotos zeigten einen Hund und einen Mann, vermutlich der Vater, denn im Rahmen daneben steckte die Mutter. Claesson fand, dass sie auf dem Foto besser aussah als in Wirklichkeit. Irgendwie deutlicher. Es gab auch ein kleineres Foto eines blonden, lächelnden Jünglings, der seinen Arm um Melindas Schultern gelegt hatte. Das Rathaus von Kopenhagen war im Hintergrund auszumachen.
    Sie nahmen in der Küche Platz, wobei es um den Tisch herum recht eng wurde. Sie bot nichts an, worüber sie dankbar waren. Sie verhielt sich majestätisch, selbst während sie sich schnäuzte, was während der Vernehmung recht oft geschah. Sie bilde sich zur Fachärztin für rheumatische Erkrankungen aus, erzählte sie.
    »Es stimmt, dass ich Jan Bodén als Lehrer hatte. Es stimmt auch, dass es im vorletzten Schuljahr Komplikationen gab. Der Alte hat gegrabscht und mich verführt«, sagte sie, und zwar mit so gelassener Überzeugung, dass Claesson vermutete, dass sie mit Erfolg eine Therapie absolviert hatte.
    »Dass er im Block erdrosselt wurde oder was auch immer mit ihm geschah, war mir neu. Ich hatte viel Arbeit und kaum Muße, die Zeitung gründlich zu lesen. Wahrscheinlich hat er es nicht besser verdient«, meinte sie und putzte sich ausgiebig ihre pfingstrosenrote, glänzende Nase.
    »Gab es damals in dieser Zeit noch andere Vorfälle?«, wollte Claesson wissen.
    »Massenweise. Schließlich war ich ein Teenager«, meinte sie mit einem schiefen Lächeln und öffnete ein neues Paket Papiertaschentücher.
    »Gab es sonst noch einen Mann?«
    »Wie meinen Sie das?«
    Sie schnäuzte sich erneut, und Claesson dachte, dass er von Glück sagen konnte, wenn er nicht angesteckt wurde.
    »War außer Bodén, soweit Sie sich erinnern können, noch jemand von Ihnen angetan?«
    Sie schaute aus dem Fenster und kniff dabei ihre blauen Augen zusammen.
    »Meine Güte! Das waren doch Jugendsünden. Das hat doch wohl jetzt keine Bedeutung mehr.«
    »Nein, vielleicht nicht. Aber ich hätte trotzdem gerne gewusst, ob Sie mit jemandem …«
    »Da gab es so einen armen Teufel, der mir immer hinterherlief«, sagte sie mit belegter Stimme. »Ich bin ihm kürzlich wieder begegnet und habe mich gefreut, dass doch noch etwas aus ihm geworden ist. Wir pflegten uns zu unterhalten. Das ist lange her. Er hatte es nicht leicht. Sein Vater war so ein dämonischer Arzt. Recht bekannt für seine Thesen

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