Verdacht auf Mord
Patientenzimmer, um jemanden für die Nacht fertig zu machen.
Nur selten kommt noch jemand so spät, dachte sie und schaute auf die Uhr. Orup lag abgelegen, und die Patienten, alle mehr oder minder von ihren Hirnschäden traumatisiert, waren keine Nachtmenschen.
Ein Mann stand vor der Glastür. Sie sah ihn schon aus der Ferne und setzte eine strenge Miene auf. So spät noch zu kommen!
Der Mann fragte höflich, ob er hereinkommen dürfe.
»Jetzt?«, rief sie und schaute demonstrativ auf ihre Armbanduhr.
Sie betrachtete ihn kritisch. Er sah zwar freundlich und ordentlich aus, aber einen Mann, der einfach so unangemeldet aufkreuzte, konnte sie einfach nicht reinlassen. Sie mussten die Patienten schützen.
»Kann ich Cecilia Westman sehen«, sagte er. »Wäre das möglich?«
Das war es wahrhaftig nicht.
»Darf ich fragen, worum es geht?«, fragte sie dann aber doch, denn sie begann neugierig zu werden.
Er sah nachdenklich aus.
»Ich bin von der Polizei«, antwortete er schließlich.
Sie betrachtete ihn misstrauisch.
»Verhöre finden normalerweise tagsüber unter geordneten Umständen statt«, teilte sie streng mit.
Der Mann hielt ihr einen Ausweis hin, aber den konnte sie nicht mehr eingehend betrachten. Weiter hinten am Korridor quietschte eine Tür. Sie schauten beide dorthin. Vermutlich Brita, dachte Tuula.
»Sie dürfen mich gerne begleiten. Ich habe nur gute Absichten«, bat er höflich.
Sie hörte aber deutlich, dass er als Nächstes seine Behördenstimme gebrauchen würde.
»Na gut, ausnahmsweise«, sagte sie daher und deutete den Korridor entlang auf die Tür von Cecilias Zimmer, »aber ich glaube, sie schläft.«
Sie hielt es für das Beste, ihn nicht aus den Augen zu lassen, gleichzeitig war ihr ihre übertriebene Vorsicht peinlich. Daher blieb sie ein paar Meter hinter ihm.
Cecilia hörte eine Männerstimme auf dem Korridor. Jemand redete, eine Stimme, die sie kannte.
»Da ist jemand«, flüsterte sie.
Sie wusste nicht, wieso sie flüsterte. Vielleicht, weil er das tat. Als hätten sie ein gemeinsames Geheimnis. Er war süß, hatte nicht so viel gesagt. Er hatte die meiste Zeit schweigend dagesessen und sie vorsichtig getätschelt. Den Kopf, den Arm, die Schulter. Und er hatte ihre Hand gehalten. Mehr nicht.
Aber jetzt war er gespannt wie eine Bogensehne.
»Kannst du dich aufsetzen«, zischte er und begann an ihr zu zerren, damit es schneller ging.
Sie war recht ungeschickt, aber schließlich saß sie auf der Bettkante und wollte gerade mit den nackten Füßen nach ihren Pantoffeln auf dem Bodén suchen.
»Was machst du?«, fragte er und schien Angst zu haben.
»Meine Pantoffeln«, jammerte sie.
»Die sind jetzt scheißegal.«
Sie spürte seine raue Hose am Oberschenkel und lehnte sich an ihn. Er roch frisch gebadet und angenehm. Sie wollte ihren Kopf an seine Schulter legen. Hatte es vollkommen aufgegeben herauszufinden, wer er war. Er war lieb, und sie war lieb, und alles war eitel Freude.
Die Schritte draußen näherten sich. Auf der anderen Seite der Tür wurde es plötzlich vollkommen still. Cecilia und ihr Freund auf der Bettkante wagten es kaum zu atmen.
Da wurde die Tür aufgerissen, und das Licht vom Korridor fiel ins Zimmer. Jemand machte die Deckenlampe an. Gleichzeitig sprang der Mann vom Bett auf und zog sie mit. Er stellte sie schwankend und verwirrt vor sich auf den Bodén.
Sie spürte, dass seine Arme sie von hinten ganz fest hielten, damit sie nicht zusammensackte. Ein Mann, den sie wiedererkannte, glotzte sie an.
Sie blinzelte.
Mamas neuer Typ.
Was wollte der hier?
»Sie fassen sie nicht an«, hörte sie eine halblaute Stimme hinter sich.
Der Neue ihrer Mutter stand still und schaute nur. Er war ungewöhnlich wütend. Oder ernst. Sie begriff überhaupt nichts.
»Lassen Sie das Messer sinken«, sagte Mamas Neuer ruhig.
Welches Messer? Sie sah kein Messer. Er hielt einen Arm angenehm um ihre Taille. Er war warm an ihrem Rücken.
Aber wo hatte er seine andere Hand?
Sie versuchte ihren Kopf herumzudrehen, aber da zuckte er zusammen und presste sie fester an sich.
»Wirf das Messer weg«, sagte Mamas Neuer wieder.
Er klang recht harmlos. Vielleicht war er ja auch lieb.
»Wenn Sie mich gehen lassen, werfe ich das Messer weg«, sagte die Stimme hinter ihr.
»Lass sie zuerst los.«
Nach einem gewissen Zögern ließ er sie los, und es wurde auf einmal so kalt und nackt. Sie wusste plötzlich nicht, wo sie hinsollte. Blieb irgendwie einfach stehen.
Da sah
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