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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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war im Lauf der Jahre immer deutlicher geworden. Jedenfalls konnte sie ihm in dieser trostlosen Situation nicht helfen. Sie hatte sich zwar erboten, ihn nach Lund zu begleiten, aber er hatte weder den Wunsch noch die Kraft, auch ihr noch Mut zu machen. Er hatte ihr stattdessen versprochen, sie im Laufe des Tages anzurufen, um sie auf dem Laufenden zu halten.
    Befiel ihn jetzt plötzlich eine nie da gewesene Geistigkeit, die er früher höhnisch als reinen Unsinn und lächerlichen Zeitvertreib für Menschen ohne Lebensinhalt abgetan hätte?
    Als er am Sonntag im Zug nach Lund gesessen hatte und die Sonne über den Lichtungen und hügeligen Wiesen untergegangen war, hatte er sich in einem seligen Rauschzustand befunden. Der Zug war dahingerast, und er hatte nach draußen gestarrt und geschluckt. Zum ersten Mal hatte er wirklich gesehen, was er vor Augen gehabt hatte, und die Verzückung hatte ihm die Tränen in die Augen getrieben.
    Aber ganz unabhängig von der Existenz höherer Mächte ruhte sein Leben jetzt in den Händen des Chefarztes und Professors Mats Mogren. Seine Titel garantierten Kompetenz und Erfahrung. Er konnte sich also nicht beklagen. Mogren wirkte jung für einen Professor. Aber wahrscheinlich beruhte das nur darauf, dass er selbst mittlerweile alt war.
    »Wir haben die CT-Bilder aus Oskarshamn erhalten. Ich werde sie mir noch einmal mit meinem Kollegen, der die Operation durchführt, genauestens ansehen«, informierte ihn Chefarzt Mogren, der sein Leben im Griff zu haben schien. Bodén war fast eine Spur eifersüchtig auf ihn. Klar, dass er sich wohlfühlt, mit all seinen Titeln, dachte er.
    Er wurde davon in Kenntnis gesetzt, dass es sich um eine ganztägige Operation handelte, bei der die Neurochirurgen die Ohrenärzte ablösten, wenn man sich den empfindlicheren Gehirnregionen näherte.
    Es ist also sehr ernst, dachte Bodén. Sie würden an seinem Gehirn herumwerkeln.
    Am Nachmittag würde er noch ausführlichere Informationen erhalten.
    »Dann können wir alles in Ruhe besprechen«, unterstrich Mogren mehrmals.
    Und dann war es Zeit für das Mittagessen.
    Jan Bodén trat schwankend hinaus in das grelle Sonnenlicht. Noch etwas benommen stand er vor dem Entree der HNO-Klinik und überlegte sich, wo er wohl hinsollte. Er hatte immer noch keinen Hunger, aber irgendetwas würde er zu sich nehmen müssen. Auf der anderen Straßenseite stand eine rosa Imbissbude. Davor saßen weiß gekleidete Leute in der Sonne und aßen. Jan Bodén gesellte sich dazu.
    Die Schlange war lang. Grüne OP-Kleidung unter den weißen Kitteln, Holzpantinen und Sandalen, ein paar Taxifahrer und Patienten. Der Bratengeruch war ziemlich unangenehm, aber er musste nicht lang warten. Offenbar war dieser Junkfoodladen beliebt, Wurst mit Kartoffelbrei und eine Menge thailändischer Gerichte standen auf der Speisekarte. Die Besitzer aus einem Land in Südostasien arbeiteten, was das Zeug hielt. Bodén bestellte ein Tanduri-Huhn und begab sich dann mit seinem Tablett ins Freie.
    Er verfluchte die Wespen, die einen Mülleimer mit Eispapier umkreisten. Er fand einen eigenen Tisch auf dem Gehsteig.
    Er betrachtete den ruhigen Verkehr, überwiegend Radfahrer und ein paar Krankenwagen. Und dann natürlich die ganzen Weißgekleideten, die wie Schwäne in einem Teich vorbeirauschten. Gewöhnungsbedürftig, dachte Bodén, aß einen kleinen Bissen Huhn und holte sein Pflanzenbestimmungsbuch aus der Jackentasche. Ein alter Bekannter, den er zufällig aus Gotland mitgenommen hatte. Jetzt konnte er es gut gebrauchen. Es stammte aus dem Jahr 1950 und war in oranges Leinen gebunden. Auf dem Deckel waren drei aufrechte Huflattichpflänzchen abgebildet. Die liebevollen Farbbilder hatten in seiner Kindheit sein Interesse an Botanik geweckt. Bei Gänsekraut, Ehrenpreis und Stiefmütterchen suchte er nun Trost. Er sah die Pflanzen vor seinem inneren Auge, ahnte die Wärme der Waldlichtung im Rücken, und der Geruch von Erde stieg um ihn herum auf. In Gedanken begab er sich weit in die Natur, in die Stille hinaus.
    Nachdem er seinen Hühnerknochen abgenagt und die letzten Reiskörner verspeist hatte, entdeckte er einen Bekannten, der auf die rosa Imbissbude zuhetzte. Zweifellos Pierre Elgh in voller Ärztemontur. Der »Elch« starrte zu Bodén. Bodén stellte fest, dass er, seit sie sich zuletzt begegnet waren, etwas mehr Farbe bekommen hatte. Jetzt hob der »Elch« den Kopf und sah in seine Richtung. Bodén stellte sich darauf ein, ihn zu begrüßen und

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