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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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hatte stattdessen vor, zu verschwinden, die Augen zu schließen und sich fallen zu lassen.
    »Ich denke so viel an dich.«
    Diese dunkle Stimme wollte sie wieder hochholen.
    Denkt an mich.
    An wen denn?

    Die Umhängetasche war sehr durchschnittlich gewesen. Riemen, schwarzes Nylon, Reißverschluss, ein Außenfach. Nina Bodén sah sie plötzlich ganz deutlich vor sich.
    »Eine typische Tasche, wie man sie zum Übernachten verwendet«, sagte sie mit Nachdruck zu dem Polizisten aus Lund, dessen Namen sie im Augenblick vergessen hatte. »Von diesen Taschen muss es tausende geben. An ihr war nichts Ungewöhnliches.«
    Trotzdem war ihr diese Umhängetasche viel später nicht mehr aus dem Kopf gegangen.
    Jan hatte die schwarze Nylontasche doch auf die Reise mitgenommen?
    Das hatte sie jedenfalls zu dem Polizisten gesagt, der sie an jenem schrecklichen Tag Anfang der Woche in Lund befragt hatte. Er hatte einen dänischen Nachnamen. Jensen hatte er wohl geheißen, und er hatte mit tiefer Stimme ein gemütliches Schonisch gesprochen. Bei dieser Arbeit sicher kein Fehler, dachte sie.
    Als sie nach Hause gekommen war, hatte sie überall gesucht, im Kleiderschrank, in der Abstellkammer und in der Garage. Sie hatte die Tasche nirgends gefunden. Sie hatte sich also nicht geirrt. Jan hatte sie dabeigehabt.
    Eigentlich hatte Jensen gar nicht nach irgendeiner Tasche gefragt. Er hatte wissen wollen, ob sie alle Gegenstände wiedererkannte, die er vor ihr in durchsichtigen Plastiktüten ausgebreitet hatte.
    Ob diese Gegenstände Jan gehörten?
    Ja, das sei so, hatte sie geantwortet.
    Sie war immer noch vollkommen fassungslos, wenn sie an diesen Augenblick dachte. Sie hatte eine plötzliche Zärtlichkeit für diese Dinge empfunden. Die Brieftasche, den Schlüsselbund, die Stifte, das Handy und das alte Blumenbestimmungsbuch, die alle nackt und verlassen auf dem Tisch gelegen hatten. Wie herrenlose Hunde.
    Dann hatte Jensen sie gefragt, ob etwas fehlte. Auf den ersten Blick war ihr nichts eingefallen. Sie hatte ihn schließlich auch nicht begleitet, als er zum Bus nach Växjö gegangen war, um von dort aus den Zug zu nehmen.
    Als sie das Zimmer von Inspektor Jensen in der Byggmästaregatan gerade hatte verlassen wollen, war ihr die Tasche eingefallen. In der Tasche hatten natürlich sein Kulturbeutel und sein Schlafanzug gelegen.
    Dann hatte sie von der Polizei in Lund nichts mehr gehört. Aber die Tasche hatte eine Menge aufrüttelnde Gefühle und Gedanken in Gang gesetzt, die sie nicht mehr in Ruhe gelassen hatten.
    War Jan so verwirrt gewesen, dass er Dinge verloren hatte? Hatte er nicht mehr auf sich selbst aufpassen können? Wie ein einsames Kind sah sie ihn vor sich, das nicht mehr aus einem Labyrinth herausfindet. Das auf unsicheren Beinen und mit zunehmendem Entsetzen herumirrt. Bei diesem Gedanken vergoss sie bittere Tränen. Armer Jan!
    Und sie hatte ihn nicht einmal begleiten wollen.
    Er hatte es nicht gewollt. Sie hätte es aber trotzdem einrichten können. Bisher hatten sie alle guten wie schlechten Zeiten gemeinsam bewältigt. Sie kannte ihn gut, wusste, dass eine deutliche Stellungnahme genügt hätte, und er hätte nachgegeben. Dann hätte sie sich jetzt nicht so fürchterlich einsam und vergessen gefühlt. Dann wäre ihr dieses Unbegreifliche erspart geblieben. Dann wäre sie jeden Augenblick dabei gewesen und hätte jetzt eine plausible Erklärung.
    Er hatte nicht sie mitgenommen, sondern sein Pflanzenbestimmungsbuch!
    Er hatte also dieses alte Buch eingesteckt, das er als Kind zum Geburtstag bekommen hatte. Das musste etwas zu bedeuten haben. Das war ihr natürlich klar. Deswegen hatte sie das Buch auf der Wache in Lund auch vorsichtig, fast zärtlich in die Hände genommen und war fast beschwörend mit den Fingerspitzen darübergefahren. Vielleicht war das ein Akt der Liebe gewesen. Ihr war ein empfindsamerer und weicherer Jan begegnet. Diese Seite hatte er sehr gut verborgen gehalten, zumindest vor ihr.
    Oder hatte die Zeit sie blind gemacht?
    Und dann ist da noch diese Nummer, dachte sie. Die Ziffern, die ihr Jensen vorgelegt hatte: »433243«.
    Sie hatte diese Telefonnummer nicht sofort wiedererkannt, und Jensen hatte ihr geglaubt. Weshalb hätte sie auch lügen sollen?
    Und doch irritierten diese Zahlen sie. Ein Zettel mit der Nummer einer ihr vollkommen fremden Person hatte in Jans Jackentasche gelegen.
    Jetzt war die linke Hälfte des Ehebetts schon seit vierzehn Nächten unberührt. Sie stand mit dem Rücken

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