Verdacht auf Mord
Geschmack.
»Es geht schon«, antwortete sie. Sie öffnete eine Dose Zoégakaffee und löffelte Pulver in den Kaffeefilter. Gleichzeitig überlegte sie sich gekränkt, wieso Eva-Lena nicht schon früher angeklopft hatte. Wo hatte sie nur gesteckt? Aber sie schaute nicht in Richtung der Nachbarin. Irgendwie war es ihr auch egal, und sie hatte beim besten Willen keine Lust zu fragen.
Eva-Lena saß wie auf Kohlen auf der Kante ihres Stuhls. Er war mit einem gestreiften Stoff bezogen, den Nina bei einem Kurs auf Gotland gewebt hatte. Die blau gestrichene Bank im Bauernstil hatte Kissen aus demselben Stoff. Alles war ihr wahnsinnig vertraut.
Nina nahm Tassen aus dem Schrank.
»Wir setzen uns ins Wohnzimmer«, meinte sie.
Eva-Lena half ihr dabei, das Geschirr, das Service Blå Blom, ins Wohnzimmer zu tragen. Sie versuchte, sich ungezwungen zu bewegen, obwohl nichts ungezwungen war. Eine Unsicherheit, gespannt wie die Kette eines Webstuhls, schwirrte in der Luft.
Eva-Lena war bisher nie aufgefallen, dass die Küchenuhr so laut tickte. Es war ihr auch noch nie so leer vorgekommen, obwohl Jan nur in den seltensten Fällen bereits von der Schule nach Hause gekommen war, wenn sie ihre Besuche gemacht hatte. Alles war unbehaglich gleich. Seine Schulbücher lagen in einem Stapel auf der Anrichte im Wohnzimmer. Obenauf der Lehrerkalender. Sie wollte ihn in die Hand nehmen, seinen Namen in seiner ökonomischen, gerundeten Schrift lesen, ließ es aber bleiben.
»Ich habe nur noch Zwieback«, hörte sie Ninas Stimme aus der Küche.
»Das macht nichts«, erwiderte Eva-Lena und sah plötzlich ein, dass sie besser Kuchen statt Blumen mitgebracht hätte. Auf fast jeder freien Fläche standen hübsche Sträuße mit weißen Beileidskarten. Der süßliche Blumenduft war fast übermächtig. Es war ihr nicht leichtgefallen, die richtige Sorte zu finden. Ein paar Brötchen und ein Hefekranz mit Kardamom von Nilssons wären natürlich besser gewesen.
Sie saßen sich an dem niedrigen Couchtisch gegenüber. Nina saß auf dem Bruno-Mathsson-Sessel und Eva-Lena auf dem schlichten blauen dänischen Sofa. Sie strich mit der Hand über das Schaffellkissen, das neben ihr lag, und bewegte versuchsweise die Lippen.
»Was haben sie gesagt?«, fragte sie schließlich.
»Du meinst die Polizei?«
Eva-Lena nickte. Nina ließ sich mit der Antwort Zeit. Sie erhob sich, um aus einer roten Thermoskanne Kaffee einzugießen.
»Nicht viel«, sagte sie, setzte sich wieder und schaute in den Garten.
Sie weicht mir aus, dachte Eva-Lena.
»Sie wissen nichts«, meinte Nina zum Schluss seufzend, als hätte sie das schon tausendmal gesagt. »Vielleicht war es sein Herz. Wer weiß. Oder eine Gehirnblutung. Jedenfalls hatte es wahrscheinlich nichts mit dieser Sache hinter dem Ohr zu tun, da war sich der HNO-Arzt vollkommen sicher. Aber nach der Obduktion wissen wir mehr.«
Sie sprach so leise und gleichförmig, dass Eva-Lena gezwungen war, vollkommen reglos und mit gespitzten Ohren dazusitzen, um überhaupt etwas zu verstehen.
»Aber irgendwas müssen sie doch wissen!«, rief sie und fuhr sich mit beiden Händen rasch durch ihr rotes, kurz geschnittenes Haar.
»Das schon«, meinte Nina und sah ihre Nachbarin an. »Er wurde an einem seltsamen Ort gefunden.«
Eva-Lena hielt den Atem an. Sie wusste natürlich wo, denn sie hatte es in der Zeitung gelesen, aber es war etwas anderes, es von jemandem zu hören, der unmittelbar betroffen war. Und unmittelbarer betroffen als Nina konnte niemand sein.
»Es stellt sich wirklich die Frage, wie er da hingeraten ist«, meinte Nina. Sie flüsterte, und in ihren Augen standen Tränen.
Eva-Lena biss die Zähne zusammen. Ihr war unbehaglich zumute.
»Ja, wirklich«, murmelte sie und begann dann, wieder an ihrer Unterlippe zu nagen.
Der Zeiger der Küchenuhr bewegte sich laut und monoton weiter, ohne sich darum zu kümmern, dass Tod und Trauer in das Haus eingezogen waren.
»Ein Putzmittelraum«, schluchzte Nina schließlich, und Eva-Lena starrte sie nur an. »Wie zum Teufel ist er da hingeraten?«
Sie wandte sich an Eva-Lena, und dieser fiel es schwer, Nina in ihre aufgeregten und blutunterlaufenen Augen zu sehen. Es hatte ihr vollkommen die Sprache verschlagen.
»Vielleicht hat er sich verlaufen«, erwiderte sie zum Schluss leise.
»Verlaufen? So sehr kann man sich doch wohl nicht verlaufen!«, erboste sich Nina.
Eva-Lena wurde bleich und antwortete nur mit einem entsetzten Achselzucken.
Das war wahrhaftig ein
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