Verdacht auf Mord
ließ, musste man eben hinnehmen. Etwas so Einfaches wie ein Parkplatz für den Dienstwagen ließ sich offenbar nicht einrichten. Die Organisation der Klinik war einfach zu schwerfällig. Die Parkplatzverwaltung hatte mit der Klinikverwaltung nichts zu tun, und es gab keinerlei Absprachen.
Eine neue Woche hatte begonnen. Bald würde man ihr den Piepser der Entbindungsstation übergeben. Sie fühlte sich im Großen und Ganzen recht wohl, wie sie da so behaglich zwischen ihren Kollegen saß. Sie musste allerdings noch ihre Unterlagen für die abendliche Besprechung zusammensuchen, zu der sie sich in einem schwachen Augenblick hatte breitschlagen lassen. Außerdem hatte sie dann die ganze Nacht den Hintergrunddienst, allerdings zu Hause. Sie konnte nur hoffen, dass sie trotzdem Gelegenheit zum Schlafen erhielt.
Sie hatte noch nicht nachgeschaut, wer eigentlich Dienst hatte und in der Klinik bleiben würde. Sie bat ihren Kollegen um den Wochenplan, und er reichte ihn ihr über den Tisch.
»Bingo!«
Er lächelte spöttisch. Christina stellte fest, dass die Aussichten auf eine ungestörte Nacht nicht sonderlich rosig waren. Die Voraussetzungen konnten kaum schlechter sein.
»Verdammt!«
»Da haben zwei Weltmeister zusammengefunden.«
Es gab einige amüsierte Mienen in der Runde.
Ein weiterer Fehler im Dienstplan, dachte sie, wusste aber, dass es zu spät war, daran noch etwas zu ändern. Sie versäumte es stets, den vorläufigen Dienstplan zu überprüfen. Andererseits musste man Gustav Stjärne auch mal zum Zug kommen lassen. Aber ihn zusammen mit Annika Holt einzuteilen ging dann doch zu weit. Sie war schließlich auch noch ziemlich unerfahren.
Gustav Stjärne war, gelinde gesagt, instabil. Sie hatte den Verdacht, dass die Klinik da ein Problem am Hals hatte, aber einstweilen würden ihn noch viele verteidigen, wenn sie etwas Dahingehendes äußerte. Die Zeit war noch nicht reif. Annika Holt konnte hingegen schon einiges, war aber noch unsicher. Immerhin wusste man, woran man bei ihr war, Gustav Stjärne hingegen entzog sich meist. Er war glitschig wie ein Stück Seife und gab sich den Anschein, als wäre er die Kompetenz in höchsteigener Person.
Allzu sehr von sich eingenommen, dachte sie. Aber manchmal fand er dann merkwürdigerweise doch ein Korn.
Es war ihr unbegreiflich.
Wieder stand Kriminalkommissar Claes Claesson vor Nina Bodéns braun lasierter Eichentür. Er hatte seinen Wagen genommen und ihn gut sichtbar vor dem Haus geparkt. Es dauerte trotzdem.
War sie nicht zu Hause?
Die Fenster waren geschlossen, aber weder waren die Gardinen zugezogen noch die Rollos heruntergelassen worden. Trotzdem wirkte das Haus abweisend. Verschlossen und unbezwingbar.
Claesson hatte den Eindruck, dass das wohl weniger an dem Todesfall als an der bombastischen Architektur lag, die Erinnerungen an den Ostblock weckte. Das Dach ragte Schatten werfend über die Fenster hinaus, die dunklen Backsteine wirkten düster und schwermütig.
Er sah, dass jemand den Rasen gemäht hatte. Auch der seinige war inzwischen frisch gemäht. Am Wochenende hatte er es endlich geschafft. Hoffentlich konnte der Rasenmäher für den Rest des Jahres in der Garage bleiben, denn der Spätsommer war nun unerbittlich vom Herbst abgelöst worden.
Aber noch war es milde. Bald würde die gesättigte und glühende Natur der Kälte und der langen, weißen Ruhe harren.
Endlich erschien Nina Bodén in der Tür. Sie war recht klein. Vielleicht sah sie auch kleiner aus, weil sie so dünn war, fast zierlich und zwar auf diese trockene und zerbrechliche Art, die alternden Frauen eigen ist. Osteoporose und Knochenbrüche würden ihr vermutlich nicht erspart bleiben. Wieder fiel ihm seine Mutter ein. Noch in recht hohem Alter hatte sie damit angegeben, dass sie immer noch in den Rock passe, den sie zu ihrer Verlobung getragen habe, und das, obwohl sie drei Kinder zur Welt gebracht habe.
Das Rezept seiner Mutter war im Übrigen recht einfach gewesen. Iss nie nach sieben Uhr abends, war ihr Rat gewesen. Oder ihre Ermahnung. Hoffentlich würden Nina Bodén Beinbrüche erspart bleiben. Zum Schluss war es mit seiner Mutter ein richtiges Elend gewesen. Erst hatte sie sich den einen Oberschenkelhals gebrochen, dann den anderen. Dass sie so leicht gewesen war, war jedoch ein Vorteil gewesen. Sie hatte gekämpft, ohne zu klagen, und sich bemüht, rasch wieder auf die Beine zu kommen. Ihre gute Kinderstube schrieb Tapferkeit vor. Dass man nicht klagte und vor
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