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Verdacht auf Mord

Verdacht auf Mord

Titel: Verdacht auf Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wahlberg
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und er würde einem Stress ausgesetzt sein, der ihm eigentlich nicht zuzumuten war. Offenbar hatte es ein großes Problem mit dem Dienstplan gegeben, denn er war wirklich noch sehr unerfahren, der junge Gustav, fand sie. Wahrscheinlich war einer kompetenteren Kraft etwas dazwischengekommen. Oder diese Person hatte einfach keine Lust gehabt. Auch das kam gelegentlich vor. Sie selbst fand einen Ausflug in die Umgebung immer ganz erfrischend. Die Korridore der Klinik und die stickigen Untersuchungsräume zu verlassen war erholsam. Ganz still saß sie dann immer im Auto und hörte Radio. In der Klinik ging es wirklich weitaus turbulenter zu.
    Meist drehte es sich darum, Frauen krankzuschreiben. Eine Schwangerschaft war zwar keine Krankheit, aber doch eine körperliche Anstrengung. Immer weniger Arbeitsplätze schienen Arbeitnehmer akzeptieren zu wollen, die auch mal etwas kürzer treten mussten. Übelkeit, Rückenschmerzen, Luxationshüfte, Wasser in den Beinen und Schlafstörungen wegen eines riesigen Bauches und einer Blase, die ständig geleert werden musste, waren kaum vereinbar mit vollem Einsatz bei reduzierter Belegschaft. Anpassung und Flexibilität waren Eigenschaften, die irgendwann einmal verloren gegangen waren.
    Manchmal dachte sie zynisch, dass man sie auf den Mütterzentralen genauso gut durch einen Stempel für die Krankmeldung ersetzen könnte. Eigentlich war es nicht weiter gefährlich, Gustav Stjärne zu schicken. Die Hebammen hatten die Lage ohnehin bereits beurteilt. Er musste nur noch die Papiere unterschreiben.
    Dennoch ließ sich nicht ganz von der Bedeutung der ärztlichen Sprechstunde absehen. Nicht nur für die Patienten, sondern auch für den Arzt oder die Ärztin. Oft kamen auch andere Dinge zur Sprache. Dinge, die unmittelbare Maßnahmen erforderten, eine Überweisung oder eine Untersuchung. Vielleicht ging es auch einmal um eine Sorge, die eine fundierte, kompetente Antwort erforderte, deren Gustav Stjärne nicht fähig war.
    Hatte er Angst vor den Patientinnen? Es hatte ganz den Anschein. Gleichzeitig fanden ihn viele sehr charmant. Es war also sehr unterschiedlich. Wie aberwitzig seine Verordnungen auch sein mochten, so waren doch einige Patienten sehr zufrieden. Was einiges darüber aussagte, wie viel Gewicht der zwischenmenschlichen Beziehung beizumessen war.
    Er verschwand den Korridor hinunter. Er wollte sich umziehen. Sie starrte ihm finster nach. Was konnte sie unternehmen? Nichts natürlich. Außerdem unterlag es auch nicht ihrer Verantwortung, sie brauchte sich also gar nicht einzumischen.
    Mit etwas Geduld würde man vermutlich selbst ihn auf Vordermann bringen.
    Sie war hungrig und entnahm ihrem Vorrat in der Tiefkühltruhe im Kaffeezimmer ein Weight-Watchers-Fertiggericht, schnitt die Plastikfolie ein und schob die Schale in die Mikrowelle. Die Unterhaltungen am Tisch türmten sich wie eine Mauer um sie auf. Sie hatte einen hektischen, aber angenehmen Vormittag hinter sich. Viele werdende Mütter. Die Geburtenrate stieg an. Es war sogar schon wieder von einem Babyboom die Rede. Jedenfalls von einem kleinen.
    Sie überlegte, ob sie das Essen mitnehmen und sich an ihren Schreibtisch setzen sollte, um zumindest etwas Atem zu holen, ehe sie sich neuen mitmenschlichen Herausforderungen stellte. Einst hatte sie sich diesen Beruf der Patientinnen und nicht der Papierberge wegen ausgesucht. Sie hatte sich von Handgreiflichem angezogen gefühlt, von Dingen, die etwas bedeuteten. Und das hatte sie nie bereut. Aber all dieser zwischenmenschliche Kontakt strengte auch an.
    Eine Kollegin forderte sie auf, sich zu ihr zu setzen. Aber kaum hatte sie Platz genommen, da fiel ihr das Auto ein, und sie rannte auf den Korridor.
    Gustav hatte sich umgezogen und kam ihr gerade entgegen. Welch ein Glück, dass er noch nicht weg war.
    »Das Auto steht vor der HNO-Klinik«, rief sie ihm zu. »Hier vorm Haus gab es keinen freien Parkplatz.«
    Er hob kurz die Hand, um ihr zu bedeuten, dass er verstanden habe. Vielleicht war er ja einfach nur schüchtern? Aber jetzt stieg ihm ein wenig Farbe in die Wangen, und er lächelte sogar, obwohl die Lippen angespannt blieben. Wie alle, vor allem Leute, die es nicht gewohnt waren, freute er sich darüber dazuzugehören.
    Immer dieses Elend mit dem Auto, dachte sie, ging zurück und ließ sich wieder an den Tisch sinken. Stets wartete der ohnehin nicht gleichförmige Tagesablauf mit irgendwelchen Hindernissen auf. Aber so war es eben, und was sich nicht ändern

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