Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
Grausamkeiten begehen, falls die Vernunft es von ihm fordern würde.«
Kusanagi hatte seinen Freund gefragt, wie Ishigami sonst in den Fall verwickelt sein könnte?
»Höchstens in einer Weise, die es ihm nicht erlaubte, Einfluss auf die Tat selbst zu nehmen. Das heißt, zu dem Zeitpunkt, als er in die Situation eingriff, müsste der Mord bereits stattgefunden haben. Was blieb ihm also übrig? Entweder die Tat nach Möglichkeit zu vertuschen. Oder wenn dies nicht ging, die Ermittlungen behindern. Er hätte Yasuko Hanaoka und ihre Tochter genau instruiert. Ihnen erklärt, wie sie auf welche Fragen zu antworten hätten und welche Beweise sie zu welchem Zeitpunkt offenlegen sollten.«
Yukawas Hypothese zufolge wäre alles, was Yasuko und Misato den Kommissaren erzählt hatten, von Ishigami, der im Hintergrund die Fäden zog, manipuliert gewesen.
»Aber«, hatte der Physikprofessor ruhig hinzugefügt, »das ist natürlich nicht mehr als eine Theorie von mir, die darauf basiert, dass Ishigami auf irgendeine Weise an dem Verbrechen beteiligt ist. Möglicherweise ist die Voraussetzung an sich schon ein Irrtum. Ich wünsche mir sogar, dass ich mich irre und er nichts damit zu tun hat. Von ganzem Herzen wünsche ich mir das.« Yukawas Gesicht wirkte bei diesen Worten ungewöhnlich gequält und verloren. Vielleicht fürchtete er, seinen alten Bekannten, den er gerade erst wiedergefunden hatte, schon bald wieder zu verlieren.
Doch Yukawa hatte Kusanagi nicht verraten, wie er überhaupt darauf gekommen war, Ishigami zu verdächtigen. Er schien zu dem Schluss gelangt zu sein, dass Ishigami eine Vorliebe für Yasuko hegte, aber worauf diese Annahme sich gründete, hatte er ihm nicht erzählt. Kusanagi vertraute jedoch völlig auf Yukawas Beobachtungs- und Kombinationsgabe. Für ihn war es ausgeschlossen, dass sein Freund sich irrte. All dies zusammengenommen erschien dem Kommissar das, was er im
Klub Marian
erfahren hatte, besonders bedenkenswert.
Warum hatte Yasuko ihr nächtliches Alibi nicht erwähnt? Wenn sie die Mörderin war und ein Alibi geplant hatte, hätte sie doch bestrebt sein müssen, es so bald wie möglich an den Mann zu bringen. Aber vielleicht auch nicht, falls Ishigami sie entsprechend instruiert hatte.
Kusanagi fiel eine beiläufige Äußerung von Yukawa ein, als dieser sich noch nicht für den Fall interessiert hatte. Damals hatte er ihm erzählt, Yasuko habe die abgerissenen Kinokarten im Programmheft gefunden, und Yukawa hatte daraufgesagt: »Wenn sie die Karten wirklich in das Heft gelegt hat, um sie der Polizei eventuell als Alibi zu präsentieren, ist sie eine ernst zu nehmende Gegnerin.«
Es war kurz nach sechs Uhr, und Yasuko wollte gerade ihre Schürze abnehmen, als ein Kunde den Laden betrat. Sie begrüßte ihn mechanisch, aber als sie ihm ins Gesicht sah, erschrak sie ein wenig.
»Kennen Sie mich noch?«, fragte Yukawa. »Ich war letztes Mal mit Herrn Ishigami hier.«
»Ja, natürlich.« Yasuko fand zu ihrem Lächeln zurück.
»Ich war gerade in der Nähe, da fielen mir Ihre Bento ein. Das von neulich war köstlich.«
»Das freut mich.«
»Heute nehme ich mal das Spezial. Ishigami kauft das immer. Aber beim letzten Mal war es ausverkauft. Wie sieht es denn heute aus?«
»Heute haben wir noch welches da.« Nachdem Yasuko die Bestellung in die Küche weitergegeben hatte, nahm sie ihre Schürze ab.
»Oh, Sie machen schon Feierabend?«
»Ja, ich arbeite bis sechs.«
»Gehen Sie jetzt gleich nach Hause?«
»Ja.«
»Dürfte ich Sie vielleicht ein Stück begleiten? Ich würde gern kurz mit Ihnen sprechen.«
»Mit mir? Worüber?«
»Besser gesagt, ich wollte Sie um Ihren Rat bitten. Es geht um Ishigami.« Er lächelte vielsagend.
Yasuko wurde unbehaglich zumute.
»Aber ich kenne Herrn Ishigami doch kaum.«
»Ich werde Ihre Zeit nicht lange in Anspruch nehmen. Wir können uns im Gehen unterhalten.« Sein Ton war sanft, duldete aber keinen Widerspruch.
»Also gut, aber nur kurz«, fügte sich Yasuko.
Der Mann stellte sich als Manabu Yukawa vor. Er war Assistent an der Universität, an der Ishigami studiert hatte. Sie warteten noch auf sein Bento und brachen dann auf. Yasuko war wie üblich mit dem Fahrrad gekommen und schob es jetzt neben sich her, bis Yukawa es ihr abnahm.
»Sie haben sich also noch nie länger mit Ishigami unterhalten?«, fragte Yukawa.
»Nein, wir grüßen uns nur, wenn er in den Laden kommt und so.«
»Aha«, sagte er und schwieg.
»Sie sagten, Sie
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