Verdächtige Geliebte: Roman (German Edition)
eigentlich schon Ferien.«
»Offen gesagt, habe ich, als ich Sie zu Hause nicht angetroffen habe, hier angerufen und erfahren, dass Sie eine Nachprüfung schreiben lassen mussten. Lehrer haben es auch nicht leicht.«
»Für die Schüler ist es schlimmer, glauben Sie mir. Sie hatten heute eine Nachprüfung der Nachprüfung.«
»Aha, ich verstehe. Ihre Arbeiten sind sicher ziemlich schwer, was?«
»Wie kommen Sie darauf?«, fragte Ishigami und sah Kusanagi in die Augen.
»Nur mein Eindruck.«
»Nein, sie sind nicht schwer. Ich mache mir bloß den toten Winkel zunutze.«
»Was für einen toten Winkel?«
»Zum Beispiel stelle ich eine Aufgabe, die aussieht wie aus der Geometrie, doch in Wirklichkeit erfordert sie eine algebraische Lösung.« Ishigami setzte sich dem Kommissar gegenüber. »Aber ich will Sie nicht aufhalten, das spielt ja keine Rolle für Sie. Was kann ich für Sie tun?«
»Nichts Besonderes.« Kusanagi nahm ebenfalls Platz und zog seinen Notizblock hervor. »Ich möchte Sie nur noch einmal genauer zu dem Abend befragen.«
»Zu welchem Abend?«
»Der Abend des 10. März«, sagte Kusanagi. »Sie wissen wahrscheinlich, dass dies der Tatabend war.«
»Es geht um die Leiche am Arakawa?«
»Sie wurde am Alten Edogawa gefunden«, berichtigte ihn Kusanagi. »Wir waren neulich bei Ihnen, um Ihnen ein paar Fragen über Frau Hanaoka zu stellen. Und ob Ihnen am betreffenden Abend etwas Besonderes aufgefallen ist.«
»Ich weiß. Und ich habe Ihnen geantwortet, dass mir dazu nichts einfällt.«
»Ja, so sagten Sie. Ich dachte nur, Sie könnten noch einmal nachdenken.«
»Worüber denn? An was soll man sich erinnern, wenn nichts passiert ist?« Ishigami gestattete sich ein Schmunzeln.
»Stimmt, aber vielleicht gibt es etwas, dem Sie keine Beachtunggeschenkt haben, das aber in Wirklichkeit von großer Bedeutung sein könnte. Es würde mir helfen, wenn Sie mir noch einmal möglichst ausführlich den Verlauf dieses Abends schildern würden. Einschließlich der Dinge, die nichts mit dem Fall zu tun haben.«
»Also gut …« Ishigami rieb sich den Nacken.
»Es ist sicher gar nicht so einfach, sich an etwas zu erinnern, das schon eine Weile zurückliegt. Deshalb habe ich etwas mitgebracht, das Ihnen eventuell auf die Sprünge hilft.«
Kusanagi reichte ihm eine Tabelle, auf der Ishigamis Stunden und sonstigen schulischen Aktivitäten in der Woche vom 10. März eingetragen waren. Er hatte sie sich im Sekretariat geben lassen.
»Ich dachte, der Plan macht es Ihnen vielleicht leichter, sich zu erinnern.« Kusanagi lächelte ermutigend.
In diesem Moment begriff Ishigami, was der Kommissar wirklich vorhatte. Es ging ihm gar nicht um Yasuko Hanaoka – es war Ishigamis Alibi, das er überprüfen wollte. Warum hatte die Polizei ihn im Visier? Ihm wurde unbehaglich. Bestimmt hatte es etwas mit Yukawa zu tun.
Wenn der Kommissar ein Alibi wollte, musste er ihm in jedem Fall eins liefern. Ishigami richtete sich auf. »An dem Abend bin ich nach dem Judo-Training direkt nach Hause gegangen und ungefähr gegen sieben dort angekommen. Ich glaube, das hatte ich Ihnen bereits erzählt.«
»Ja. Und danach waren Sie die ganze Zeit zu Hause?«
»Ja, ich glaube schon«, sagte Ishigami absichtlich vage, um Kusanagis Reaktion zu testen.
»Es ist an dem Abend niemand in die Wohnung gekommen oder hat angerufen?« Ishigami sah ihn fragend an.
»Welche Wohnung meinen Sie? Die von Frau Hanaoka?«
»Nein, nein, ich spreche von Ihrer Wohnung.«
»Aber wieso?«
»Sie wundern sich gewiss, was das mit dem Fall zu tun hat. Wir möchten nur so genau wie möglich klären, was sich im Umfeld von Yasuko Hanaoka ereignet hat.«
Ishigami fand diese Begründung ziemlich an den Haaren herbeigezogen. Das musste dem Kommissar doch klar sein.
»Gesehen hat mich niemand. Angerufen sicher auch nicht. Ich bekomme nur selten Anrufe.«
»Ich verstehe.«
»Tut mir leid, dass ich Ihnen nicht weiterhelfen kann, wo Sie sich eigens herbemüht haben.«
»Nein, nein, machen Sie sich keine Gedanken. Ach, und übrigens …« Kusanagi nahm Ishigamis Arbeitsplan in die Hand. »Diesem Plan nach haben Sie sich am Vormittag des 11. März freigenommen und sind erst am Nachmittag in die Schule gekommen. Hatte das einen besonderen Grund?«
»Nein, eigentlich nicht. Ich habe mich nicht ganz wohl gefühlt und wollte etwas länger liegenbleiben. Das Schuljahr war ohnehin fast zu Ende, und es spielte keine große Rolle mehr.«
»Waren Sie beim
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