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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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gewehrt hat«, widersprach Teleborian. »Die betreffende Person war ein bekannter Sexualstraftäter. Aber das ist dennoch ein gutes Beispiel für ihr Reaktionsmuster. Sie hätte auch weggehen oder bei den anderen Passagieren im Wagen Schutz suchen können. Stattdessen entschied sie sich dafür, ihn schwer zu misshandeln. Wenn sie sich bedroht fühlt, reagiert sie mit Gewalt.«
    »Was hat sie denn nun eigentlich?«, fragte Bublanski.
    »Wie gesagt, wir haben keine exakte Diagnose. Ich würde sagen, sie leidet an Schizophrenie und einer Psychose. Ihr fehlt jegliche Empathie, man kann sie in vielerlei Hinsicht als Soziopathin beschreiben. Ich muss sagen, ich finde es schon einigermaßen überraschend, dass sie nach ihrem 18. Geburtstag überhaupt so gut zurechtgekommen ist. Sie hat sich also acht Jahre lang frei in der Gesellschaft bewegt - wenngleich natürlich mit einem rechtlichen Betreuer -, ohne auch nur ein einziges Mal etwas zu tun, was zu einer Anzeige oder einer Festnahme geführt hätte. Ihre Prognose jedoch …«
    »Ihre Prognose?«
    »In all der Zeit ist sie nicht behandelt worden. Ich schätze, die Krankheit, die wir vor zehn Jahren noch hätten behandeln und heilen können, ist mittlerweile ein fester Bestandteil ihrer Persönlichkeit geworden. Ich prophezeie Ihnen, dass sie nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden wird. Sie muss in Behandlung.«
    »Wie zum Teufel war es denn dann überhaupt möglich, sie frei herumlaufen zu lassen?«, murmelte Hans Faste.
    »Das war wohl das Zusammenwirken von einem redegewandten Rechtsanwalt und den Auswirkungen einer fortschreitenden Liberalisierung bei gleichzeitiger Kürzung der Mittel. Auf jeden Fall ein Entschluss, dem ich mich widersetzte, als die Rechtsmedizin mich konsultierte. Aber ich hatte in dieser Sache keinen Einfluss.«
    »Aber eine Prognose dieser Art ist doch wohl vor allem geraten?«, meinte Sonja Modig. »Ich meine … Sie wissen eigentlich überhaupt nicht, was alles mit ihr passiert ist, seit sie 18 geworden ist.«
    »Es ist mehr als nur geraten. Das ist meine Erfahrung.«
    »Hat sie einen selbstzerstörerischen Zug?«, fragte Sonja Modig.
    »Sie meinen, ob sie selbstmordgefährdet sein könnte? Nein, das bezweifle ich. Sie ist eher eine egomanische Psychopathin, die immer nur an sich selbst denkt. Der Rest der Menschen ist unwichtig.«
    »Sie sprachen von ihrer potenziellen Gewalttätigkeit«, sagte Hans Faste. »Halten Sie sie für gefährlich?«
    Peter Teleborian betrachtete ihn lange. Dann senkte er den Kopf und rieb sich die Stirn, bevor er antwortete.
    »Sie ahnen nicht, wie schwer es ist, exakt vorherzusagen, wie ein Mensch reagieren wird. In jedem Fall würde ich versuchen, die Festnahme mit der größtmöglichen Vorsicht vorzunehmen. Falls sie bewaffnet ist, wird sie diese Waffe vermutlich auch einsetzen.«

18. Kapitel
    Dienstag, 29. März - Mittwoch, 30. März
     
     
     
     
    Die drei parallelen Ermittlungen in den Morden von Enskede gingen weiter. Bublanskis Ermittlungen genossen alle Vorteile, die einer staatlichen Behörde zustehen. Von außen betrachtet, war die Lösung bereits zum Greifen nahe: Sie hatten eine Verdächtige, und die Mordwaffe konnte mit ihr in Verbindung gebracht werden. Es gab eine unbestreitbare Verbindung zu einem der Mordopfer sowie eine mögliche Verbindung zwischen Mikael Blomkvist und den beiden anderen Opfern. Für Bublanski ging es jetzt nur noch darum, Lisbeth Salander tatsächlich zu finden und sie in eine der Zellen im Kronoberg-Gefängnis zu verfrachten.
    Dragan Armanskijs Ermittlungen waren formell der Polizei unterstellt, aber er verfolgte auch eigene Pläne damit. Es war seine persönliche Absicht, Lisbeth Salanders Interessen zu schützen - die Wahrheit herauszufinden, und zwar möglichst eine Wahrheit, die mildernde Umstände in sich barg.
    Die Ermittlungen, die Millennium anstellte, waren die mühsamsten. Die Zeitschrift hatte einfach nicht die Mittel, über die die Polizei oder Armanskijs Firma verfügte. Im Gegensatz zur Polizei war Mikael Blomkvist auch nicht sonderlich daran interessiert, ein einleuchtendes Motiv zu finden, warum Lisbeth Salander nach Enskede gefahren sein könnte, um dort zwei seiner Freunde zu ermorden. Irgendwann im Laufe des Osterwochenendes hatte er beschlossen, dass er diese Story einfach nicht glaubte. Wenn Lisbeth Salander irgendwie in diese Morde verwickelt war, dann musste es eben andere Gründe geben als die, von denen die polizeilichen Ermittlungen

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