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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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sie einen letzten Blick über die Schulter. Sie konnte gerade noch einen schemenhaften Richard Forbes erkennen, der wie von Geisterhand aufs Wasser hinausgezogen wurde und verschwand. Gemeinsam schleppten George und sie ihre Last durchs Tor. Schwankend durchquerten sie den Hof, und Lisbeth hörte durch das Heulen des Sturms hindurch das Geräusch splitternder Fensterscheiben und das durchdringende gellende Kreischen sich verbiegenden Blechs. Direkt vor ihrer Nase schoss plötzlich ein Brett durch die Luft. Im nächsten Moment verspürte sie einen heftigen Schmerz, als sie irgendetwas mit voller Wucht in den Rücken traf. Die Kraft des Windes nahm ab, als sie sich der Rezeption näherten.
    Lisbeth packte George am Kragen, zog seinen Kopf an ihren Mund und brüllte ihm ins Ohr.
    »Wir haben sie am Strand gefunden. Ihren Mann haben wir überhaupt nicht gesehen. Kapiert?«
    Er nickte.
    Sie schleppten Geraldine Forbes die Treppe hinunter, wo Lisbeth gegen die Kellertür trat. Freddy McBain machte auf und starrte sie an. Dann nahm er ihnen ihre Last ab und zog sie herein, bevor er die Tür wieder zuschlug.
    Das unerträgliche Dröhnen des Sturms wurde binnen einer Sekunde auf ein grollendes Hintergrundgeräusch reduziert. Lisbeth atmete tief durch.
     
    Ella Carmichael goss ihr einen heißen Kaffee ein und reichte ihr den Becher. Lisbeth Salander war so erschöpft, dass sie kaum den Arm heben konnte. Teilnahmslos und starr saß sie auf dem Boden und lehnte sich gegen die Wand. Irgendjemand hatte ihr und George Bland Decken umgelegt. Lisbeth war völlig durchnässt und blutete heftig aus einer Platzwunde unterhalb der Kniescheibe. Woher der zehn Zentimeter lange Riss in ihrer Jeans stammte, wusste sie nicht. Desinteressiert beobachtete sie, wie Freddy McBain und ein paar Hotelgäste sich um Geraldine Forbes kümmerten und ihr den Kopf verbanden. Sie schnappte einzelne Wörter auf und begriff, dass einer in der Gruppe wohl Arzt sein musste. Wie sie bemerkte, war der Keller voll belegt, zum einen mit Hotelgästen, zum anderen mit Leuten von außerhalb, die hier Schutz gesucht hatten.
    Schließlich kam Freddy McBain zu Lisbeth und ging neben ihr in die Hocke.
    »Sie lebt.«
    Lisbeth gab keine Antwort.
    »Was ist passiert?«
    »Wir haben sie vor der Hotelmauer am Strand gefunden.«
    »Als ich die Gäste im Keller gezählt habe, fehlten drei Personen, nämlich Sie und das Ehepaar Forbes. Ella sagte, dass Sie wie eine Wahnsinnige losgerannt sind, als der Sturm gerade einsetzte.«
    »Ich bin rausgerannt, um meinen Freund George zu holen.« Lisbeth nickte zu dem Jungen hinüber. »Er wohnt ein Stück die Straße runter. In einer Hütte, die jetzt wahrscheinlich nicht mehr steht.«
    »Das war dumm, aber außerordentlich mutig«, meinte Freddy McBain und warf einen Blick auf George Bland. »Haben Sie den Mann gesehen, Richard Forbes?«
    »Nein«, antwortete Lisbeth. George Bland schielte zu Lisbeth hinüber und schüttelte den Kopf.
    Ella Carmichael legte den Kopf auf die Seite und sah Lisbeth scharf an. Lisbeth erwiderte ihren Blick mit ausdruckslosen Augen.
    Geraldine Forbes erwachte gegen drei Uhr morgens aus ihrer Ohnmacht. Zu diesem Zeitpunkt war Lisbeth Salander schon eingeschlafen, den Kopf an George Blands Schulter gelehnt.
     
    Wie durch ein Wunder überlebte Grenada diese Nacht. Als der Morgen dämmerte, flaute der Sturm ab und wich einem Platzregen, dem übelsten, den Lisbeth jemals erlebt hatte. Freddy McBain ließ die Gäste aus dem Keller.
    Das Keys Hotel musste zwangsweise eine gründliche Renovierung vornehmen. Die Schäden am Hotel waren ebenso umfassend wie überall sonst an der Küste. Ella Carmichaels Poolbar war verschwunden, eine Veranda völlig zerstört. An der gesamten Fassade hatte der Sturm die Fensterläden abgerissen, und das Dach auf einem vorspringenden Teil des Hotels hatte nachgegeben. Die Rezeption war ein einziges Trümmerfeld.
    Lisbeth taumelte auf ihr Zimmer und zog George hinter sich her. Um den Regen abzuhalten, hängte sie provisorisch eine Decke vor die klaffende Fensteröffnung. George suchte ihren Blick.
    »Wir müssen weniger erklären, wenn wir ihren Mann nicht gesehen haben«, sagte Lisbeth, bevor er irgendwelche Fragen stellte.
    Er nickte. Sie zog sich aus, warf ihre Kleider auf den Boden und ließ sich aufs Bett sinken. George nickte nochmals, zog sich ebenfalls aus und schlüpfte neben ihr ins Bett. Im nächsten Moment waren beide eingeschlafen.
    Als sie mitten am Tag wieder

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