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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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aber im Winter sah man hier nur Leute, die wirklich etwas in diesem Viertel zu erledigen hatten. Im Moment war keine Menschenseele zu sehen - vor allem niemand, den sie wiedererkannte und der umgekehrt auch sie hätte wiedererkennen können. Lisbeth stellte die Tüte im Schneematsch ab, um nach ihrem Schlüssel zu kramen. Dann fuhr sie mit dem Fahrstuhl ins oberste Stockwerk und schloss die Tür mit dem Namensschild »V. Kulla« auf.
     
    Als Lisbeth plötzlich über eine riesige Geldsumme verfügte und damit für den Rest ihres Lebens finanziell unabhängig geworden war (oder jedenfalls so lange, wie knapp drei Milliarden Kronen reichen mochten), sah sie sich zunächst nach einer neuen Wohnung um. Das war eine ganz neue Erfahrung für sie gewesen. Nie zuvor hatte sie Geld in größere Anschaffungen investiert als in einfache Gebrauchsgegenstände, die man in bar oder in Raten bezahlen konnte. Die kostspieligsten privaten Käufe bestanden in verschiedenen Computern und ihrer leichten Kawasaki. Letztere hatte sie für 7 000 Kronen erworben - der reinste Schleuderpreis. Sie hatte ungefähr dieselbe Summe noch einmal für Ersatzteile ausgegeben und mehrere Monate damit verbracht, die Maschine eigenhändig auseinanderzuschrauben und instand zu setzen.
    Eine Wohnung war eine Anschaffung von anderer Größenordnung, so viel war ihr klar. Sie begann die Wohnungsanzeigen von Dagens Nyheter im Internet zu lesen und merkte nach kurzer Zeit, dass das eine Wissenschaft für sich war.
    2 ZKB + Esszimmer, fantastische Lage Nähe Südbhf., 2,7 Mio. Kron. o. Höchstgeb., 5 510 monatl.
    3 ZKB, Aussicht a. Park, Högalid. 2,9 Mio. Kron.
    2,5 ZKB, 47 qm, renoviertes Bad, Gotlandsgat. 1,8 Mio. Kron., 2200 monatl.
    Lisbeth kratzte sich am Kopf und rief auf gut Glück bei ein paar Verkäufern an, ohne recht zu wissen, was sie eigentlich fragen sollte. Bald kam sie sich so dämlich vor, dass sie das Unternehmen abbrach. Stattdessen war sie am ersten Sonntag im Januar zu zwei Wohnungsbesichtigungen gegangen. Die eine Wohnung lag im Vindragarvägen in Reimersholme und die andere in der Heleneborgsgatan in der Nähe von Hornstull. Das Objekt in Reimersholme war eine helle Vierzimmerwohnung in einem mehrstöckigen Wohnhaus mit Innenhof und Aussicht auf Långholmen und Essingen. Dort könnte es ihr schon gefallen. Die Wohnung in der Heleneborgsgatan hingegen war ein Loch mit Ausblick aufs Nachbarhaus.
    Das Problem war nur, dass sie gar nicht wusste, wo sie eigentlich wohnen wollte, wie ihre Wohnung aussehen und was für Ansprüche ein Käufer an seine Wohnung stellen sollte. Bis jetzt hatte sie noch nie über eine Alternative zu den 45 Quadratmetern in der Lundagatan nachgedacht, in denen sie ihre Kindheit verbracht hatte und für die sie dank ihres damaligen Betreuers Holger Palmgren das Wohnrecht auch nach ihrem 18. Geburtstag behalten hatte. Sie setzte sich auf das fusselige Sofa in ihrem kombinierten Arbeits- und Wohnzimmer und dachte angestrengt nach.
    Die Wohnung in der Lundagatan ging auf einen Innenhof hinaus, war eng und ungemütlich. Vom Schlafzimmer aus sah man eine Brandmauer, von der Küche die Rückseite des Vorderhauses sowie den Kellereingang. Wenn man aus dem Wohnzimmer schaute, erblickte man zumindest eine Straßenlaterne und ein paar Birkenzweige.
    Die erste Anforderung an ihre neue Wohnung war also eine nette Aussicht.
    Außerdem vermisste sie einen Balkon - sie hatte schon immer die wohlhabenderen Nachbarn weiter oben im Haus beneidet, die an warmen Sommertagen mit einem kühlen Bier unter ihrer Markise auf dem Balkon saßen. Die nächste Anforderung, die sie an ihre neue Wohnung stellte, war also ein Balkon.
    Wie sollte die Wohnung überhaupt aussehen? Sie dachte an Mikael Blomkvists Wohnung - ein einziger großer Raum von 65 Quadratmetern in einer umgebauten Dachwohnung in der Bellmansgatan, mit Aussicht auf das Rathaus und Slussen. Dort hatte es ihr gut gefallen. Sie wollte eine gemütliche und pflegeleichte Wohnung, die sich leicht einrichten ließ. Das war der dritte Punkt auf ihrer Wunschliste.
    Jahrelang hatte Lisbeth in beengten Verhältnissen gewohnt. Ihre Küche maß knapp 10 Quadratmeter, auf denen sie einen kleinen Küchentisch und zwei Stühle unterbringen konnte. Das Wohnzimmer hatte 20 Quadratmeter. Das Schlafzimmer 12. Ihre vierte Anforderung lautete, dass die neue Wohnung genügend Platz bieten sollte. Sie wollte ein richtiges Arbeitszimmer und ein großes Schlafzimmer, in dem sie sich ausbreiten

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