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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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Ihr Gesichtsausdruck war angespannt, und sie umklammerte einen Drink. Ihr Mann war nirgends zu sehen.
     
    Lisbeth trank ihren Kaffee und begann gerade wieder über Fermats Theorem zu meditieren, als Freddy McBain aus seinem Büro kam und sich an die Rezeption stellte.
    »Darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Ich habe gerade Nachricht bekommen, dass ein Sturm in Orkanstärke Petit Martinique erreicht hat. Ich muss alle Anwesenden bitten, sich unverzüglich in den Keller zu begeben.«
    Freddy McBain dirigierte seine Gäste zur Kellertreppe hinter der Rezeption und wehrte dabei alle Versuche ab, ihm Fragen zu stellen oder Gespräche anzuknüpfen. Petit Martinique war eine kleine Insel, die zu Grenada gehörte und ein paar Seemeilen nördlich der Hauptinsel gelegen war. Lisbeth warf Ella Carmichael einen verstohlenen Blick zu und spitzte die Ohren, als sie zu Freddy McBain ging.
    »Wie schlimm ist es?«, fragte Ella.
    »Ich weiß nicht. Das Telefon funktioniert nicht mehr«, antwortete McBain leise.
    Lisbeth ging in den Keller und stellte ihre Tasche auf eine Decke in der Ecke. Sie überlegte einen Moment, dann bahnte sie sich gegen den Strom ihren Weg zurück zur Rezeption, hielt Ella auf und fragte, ob sie ihr noch irgendwie behilflich sein könnte. Ella schüttelte angespannt den Kopf.
    »Wir müssen abwarten, was passiert. Mathilda ist ein hinterhältiges Luder.«
    Lisbeth bemerkte eine Gruppe von fünf Erwachsenen und ungefähr zehn Kindern, die durch die Eingangstür hereingelaufen kamen. Freddy McBain nahm sie sofort in Empfang und führte sie auch zur Kellertreppe.
    Auf einmal kam Lisbeth ein beunruhigender Gedanke.
    »Ich nehme an, dass alle Leute auf der Insel jetzt in ihren Kellern Schutz suchen?«, erkundigte sie sich leise bei Ella.
    Die blickte der Familie nach, die gerade an der Treppe war.
    »Das ist hier leider einer der ganz wenigen Keller am Grand Anse. Es werden sicher noch mehr Leute kommen, um hier Schutz zu suchen.«
    Lisbeth sah Ella scharf an.
    »Und was machen die anderen?«
    »Die keine Keller haben?« Ella lachte bitter auf. »Die verstecken sich in ihren Häusern oder verkriechen sich in irgendeinem Schuppen - und müssen sich auf Gott verlassen!«
    Lisbeth machte auf dem Absatz kehrt und rannte durch die Lobby hinaus.
    George Bland.
    Sie hörte, wie Ella ihr etwas hinterherrief, blieb aber nicht stehen, um ihr zu erklären, was sie vorhatte.
    Er wohnt in einer verdammten Bretterbude, die beim ersten Windstoß einstürzen wird.
    Sowie sie auf die Straße von Saint George’s kam, wurde sie vom Wind hin und her geschleudert. Unbeirrt setzte sie sich in Trab. Der kräftige Gegenwind ließ sie taumeln, und es dauerte fast zehn Minuten, bis sie die knapp vierhundert Meter zu Georges Behausung zurückgelegt hatte. Den gesamten Weg über bekam sie kein anderes Lebewesen zu Gesicht.
     
    Der Regen kam aus dem Nichts, wie eine eiskalte Dusche aus einem Wasserschlauch. Als sie zu Georges Hütte abbog, sah sie das Licht seiner Schreibtischlampe durch eine Ritze im Fenster scheinen. Innerhalb weniger Sekunden war Lisbeth pitschnass und sah nur noch wenige Meter weit. Sie hämmerte an seine Tür. George Bland öffnete ihr mit schreckgeweiteten Augen.
    »Was machst du hier?«, schrie er, um den Wind zu übertönen.
    »Komm. Du musst mit ins Hotel. Da gibt es einen Keller.«
    George Bland wirkte verdattert. Plötzlich warf eine Bö die Tür zu, und es dauerte ein paar Sekunden, bis George sie wieder aufstemmen konnte. Lisbeth packte ihn am T-Shirt und zog ihn aus der Hütte. Sie wischte sich das Wasser aus dem Gesicht, nahm ihn bei der Hand und rannte los.
    Sie nahmen den Weg über den Strand, der knapp hundert Meter kürzer war als die Straße, die einen weiten Bogen landeinwärts beschrieb. Als sie die Hälfte der Strecke zurückgelegt hatten, sah Lisbeth ein, dass die Entscheidung wohl nicht besonders klug gewesen war. Am Strand waren sie völlig ungeschützt. Wind und Regen beutelten sie so heftig, dass sie mehrmals stehen bleiben mussten. Sand und Zweige flogen durch die Luft. Es donnerte fürchterlich. Eine halbe Ewigkeit schien vergangen zu sein, bis Lisbeth endlich die Mauer des Hotels vor sich auftauchen sah. Sie beschleunigte ihre Schritte. Gerade als sie am Eingang und in Sicherheit waren, warf sie einen Blick über die Schulter zurück zum Strand. Sie erstarrte.
     
    Durch eine Wand aus peitschendem Regen hindurch sah sie plötzlich zwei helle Schemen, knapp fünfzig Meter weiter den Strand

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