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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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ihn. Es irritierte Lisbeth, wie er so ahnungslos sein konnte, und bei jeder Mail, die er ihr schickte, musste sie sich zusammenreißen, um sie ungelesen zu löschen.
    Stockholm schien ihr also kein bisschen attraktiv. Abgesehen von der freien Mitarbeit bei Milton Security, ein paar alten Bettbekanntschaften und den Mädels der ehemaligen Rockband Evil Fingers kannte sie kaum einen Menschen in ihrer eigenen Heimatstadt.
    Der Einzige, für den sie einen gewissen Respekt empfand, war Dragan Armanskij. Sie konnte ihre Gefühle für ihn nur schwer definieren. Die Tatsache, dass sie sich von ihm angezogen fühlte, hatte sie immer ein wenig erstaunt. Wenn er nicht gar so verheiratet gewesen wäre, nicht gar so alt und nicht gar so konservativ in seinen Ansichten über das Leben, hätte sie vielleicht sogar einmal einen Annäherungsversuch gestartet.
    Sie zückte ihren Kalender und schlug die Seite mit der Weltkarte auf. Sie war noch nie in Australien oder Afrika gewesen. Sie hatte noch nie in der Karibik geschnorchelt oder in Thailand am Strand gesessen. Abgesehen von ein paar kurzen Reisen in Zusammenhang mit ihrem Job, war sie in ihrem ganzen Leben kaum jemals aus Schweden herausgekommen.
    Das hatte sie sich nie leisten können.
    Lisbeth stellte sich ans Fenster ihres römischen Hotelzimmers und blickte über die Via Garibaldi. Eine Stadt wie ein Ruinenhaufen. Dann fasste sie einen Entschluss, zog die Jacke über, ging an die Rezeption und erkundigte sich, ob es in der Nähe ein Reisebüro gab. Dort buchte sie ein einfaches Ticket nach Tel Aviv und verbrachte die folgenden Tage damit, durch die Jerusalemer Altstadt zu schlendern. Sie besichtigte die Al-Aksa-Moschee und die Klagemauer. Misstrauisch betrachtete sie die bewaffneten Soldaten, die an jeder Straßenecke standen. Danach flog sie nach Bangkok und verbrachte den Rest des Jahres mit verschiedenen Reisen.
    Nur eines hatte sie zwischendurch noch zu erledigen. Sie flog zweimal nach Gibraltar. Beim ersten Mal recherchierte sie sehr genau den Hintergrund des Mannes, den sie dazu auserkoren hatte, ihre Finanzen zu verwalten. Und beim zweiten Mal kontrollierte sie, wie er mit seiner Aufgabe zurechtkam.
     
    Es fühlte sich ganz fremd an, nach so langer Zeit den Schlüssel der eigenen Wohnung in der Fiskargatan ins Schloss zu stecken.
    Lisbeth stellte die Lebensmitteltüte und ihre Tasche im Flur ab und tippte den vierstelligen Code ein, der den elektronischen Alarm ausschaltete. Dann zog sie ihre nassen Kleider aus und ließ sie einfach auf den Boden fallen. Sie ging nackt in die Küche, schaltete den Kühlschrank ein und füllte ihn mit Lebensmitteln, bevor sie ins Bad ging und die nächsten zehn Minuten unter der Dusche verbrachte. Sie aß einen Apfel und machte sich eine Pizza in der Mikrowelle warm. Auf dem Boden in einem Zimmer neben der Küche bereitete sie sich ein Matratzenlager.
    Zehn Sekunden nachdem sie den Kopf aufs Kissen gelegt hatte, schlummerte sie bereits und schlief fast zwölf Stunden, bis kurz vor Mitternacht. Dann stand sie auf, kochte Kaffee, wickelte sich in eine Decke und setzte sich mit dem Kissen und einer Zigarette in einen Erker. Von dort blickte sie zum Djurgården und Saltsjön hinüber. Die Lichter faszinierten sie. Und während sie so in der Dunkelheit saß, dachte sie über ihr Leben nach.
     
    Am Tag nach ihrer Rückkehr hatte Lisbeth Salander volles Programm. Um sieben Uhr morgens schloss sie ihre Wohnung ab. Bevor sie ihre Etage verließ, öffnete sie ein Fenster im Treppenhaus und befestigte einen Ersatzschlüssel an einem dünnen Kupferdraht, den sie wiederum an der Rückseite eines Fallrohrs befestigte. Die Erfahrung hatte sie gelehrt, wie nützlich es war, immer irgendwo einen leicht zugänglichen Reserveschlüssel zu haben.
    Die Luft war eiskalt. Lisbeth trug eine alte, zerrissene Jeans mit einem Loch unter der Gesäßtasche, durch das man ihre blaue Unterhose sah. Über ihr T-Shirt hatte sie ein wärmeres Poloshirt angezogen, dem am Hals schon die Naht aufging. Außerdem hatte sie ihre alte, abgewetzte Lederjacke mit den Nieten auf der Schulter hervorgekramt. Sie merkte, dass sie demnächst zum Schneider gehen sollte, um das kaum mehr vorhandene Futter flicken zu lassen. Ihre Füße steckten in dicken Strümpfen und Stiefeln.
    Sie ging die St. Paulsgatan entlang, zum Zinkensdamm und weiter bis zu ihrer alten Wohnung in der Lundagatan, wo sie erst einmal nachsah, ob ihre Kawasaki immer noch im Kellerabteil stand. Sie tätschelte

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