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Verdammnis

Verdammnis

Titel: Verdammnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stieg Larsson
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darauf gewartet, dass der diensthabende Staatsanwalt eintraf, um die Vorbereitungen für die Voruntersuchung zu treffen. Danach wurden sie gebeten, mit nach Kungsholmen zu kommen, um die Ermittlungen zu unterstützen, wie es hieß.
    Dort mussten sie eine ganze Weile warten, bis sie von einer Kriminalinspektorin namens Anita Nyberg vernommen wurden. Sie hatte weizenblondes Haar und sah aus wie ein Teenager.
    Ich werde langsam alt, dachte Mikael.
    Gegen halb drei Uhr morgens hatte er so viele Tassen abgestandenen Filterkaffee getrunken, dass ihm übel war. Von einer Sekunde auf die andere musste er das Verhör unterbrechen und eine Toilette aufsuchen, wo er sich heftig übergab. Die ganze Zeit hatte er das Bild von Mia Bergmans zerfetztem Gesicht auf der Netzhaut. Dann trank er ein paar Becher Wasser und wusch sich gründlich das Gesicht, bevor er wieder zum Verhör zurückkehrte. Er versuchte, seine Gedanken zusammenzuhalten und so ausführlich wie möglich auf Anita Nybergs Fragen zu antworten.
    Hatten Dag Svensson und Mia Bergman Feinde?
    Nicht dass ich wüsste.
    Sind sie bedroht worden?
    Das weiß ich nicht.
    Wie war ihr Verhältnis?
    Sie schienen sich zu lieben. Dag hat einmal erzählt, dass sie ein Kind haben wollten, sobald Mia ihre Promotion abgeschlossen haben würde.
    Haben sie Drogen genommen?
    Keine Ahnung. Ich glaube es aber nicht, allenfalls mal einen Joint auf einer Party.
    Wie kam es, dass Sie sie so spät am Abend noch besuchen wollten?
    Mikael erklärte den Zusammenhang.
    Ist das nicht ein ungewöhnlicher Zeitpunkt?
    Doch, natürlich. Es war das erste Mal.
    Woher kannten Sie sie?
    Durch die Arbeit. Mikael erklärte und erklärte.
    Die Schüsse hatte man im ganzen Haus gehört. Sie waren in einem Abstand von weniger als fünf Sekunden abgegeben worden. Der 70-jährige Mann im braunen Bademantel, der direkt nebenan wohnte, war ein pensionierter Major der Küstenartillerie. Er war nach dem zweiten Schuss von seinem Fernsehsofa aufgestanden und sofort ins Treppenhaus gegangen. In Berücksichtigung der Tatsache, dass er ein Hüftproblem hatte und nicht so schnell aufstehen konnte, schätzte er selbst, dass es vielleicht dreißig Sekunden gedauert hatte, bis er an der Wohnungstür war. Weder er noch einer der anderen Nachbarn hatten einen Täter gesehen.
    Nach Einschätzung aller Nachbarn war Mikael weniger als zwei Minuten nach dem zweiten Schuss angekommen.
    Wenn man bedachte, dass Annika und er die Straße sicherlich dreißig Sekunden lang im Blick gehabt hatten, bevor Mikael die Straße überquerte und die Treppe hochging, gab es ein Zeitfenster von gerade mal dreißig bis vierzig Sekunden. In dieser Zeit hatte ein Doppelmörder die Wohnung verlassen, die Treppen zurückgelegt, im Erdgeschoss die Waffe weggeworfen, das Haus verlassen und sich außer Sichtweite gebracht.
    Mikael spürte, dass Kriminalinspektorin Anita Nyberg anfangs mit dem Gedanken spielte, er selbst könne der Täter sein. Doch Mikael hatte ein Alibi durch seine Schwester. Außerdem konnten seine Angaben bis hin zum Telefonat mit Dag Svensson von diversen Mitgliedern der Familie Giannini bekräftigt werden.
    Schließlich protestierte Annika. Mikael hatte jede erdenkliche Hilfe geleistet. Er war sichtlich müde, und es ging ihm nicht gut. Es war an der Zeit, das Verhör abzubrechen und ihn nach Hause gehen zu lassen. Sie erinnerte die Beamtin daran, dass sie die Anwältin ihres Bruders sei, und er gewisse von Gott oder doch zumindest vom schwedischen Reichstag garantierte Rechte hatte.
     
    Als sie auf die Straße traten, blieben sie eine Weile schweigend vor Annikas Auto stehen.
    »Geh nach Hause und leg dich schlafen«, sagte sie.
    Mikael schüttelte den Kopf.
    »Ich muss zu Erika«, widersprach er. »Sie kannte die beiden auch. Ich kann sie nicht einfach anrufen, und ich will auch nicht, dass sie aufwacht und das Ganze in den Nachrichten zu hören kriegt.«
    Annika Giannini zögerte, sah jedoch ein, dass ihr Bruder recht hatte.
    »Also nach Saltsjöbaden«, meinte sie.
    »Schaffst du das denn noch?«, fragte er.
    »Wozu sind kleine Schwestern denn da?«
    »Wenn du mich bis Nacka Zentrum fährst, dann kann ich von dort aus ein Taxi nehmen.«
    »Blödsinn. Spring rein, ich fahr dich schon.«

12. Kapitel
    Gründonnerstag, 24. März
     
     
     
     
    Da auch Annika sehr müde war, konnte Mikael sie doch davon überzeugen, ihn in Nacka Zentrum abzusetzen. Er gab ihr ein Küsschen auf die Wange, bedankte sich für ihre Hilfe und wartete,

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