Verdammt wenig Leben
wirklich den Mut dazu hat. Theoretisch könnte es gefährlich werden.«
»Obwohl er tatsächlich nur ein Placebo nimmt, nicht den echten Impfstoff.«
Paul gab ein sprödes Lachen von sich.
»Jetzt wo er Karriere macht, werden wir natürlich nicht zulassen, dass er sein Leben aufs Spiel setzt. Komm schon, Jason. Das läuft doch überall so. Versprich mir, dass du mit niemandem darüber redest.«
»Ich verspreche es, aber nur wenn du mir das Drehbuch schickst.«
Durchs Mikrofon war ein lauter Seufzer zu hören.
»Na gut, ich werde Frey darum bitten. Keine Ahnung, was für eine Ausrede ich mir dafür einfallen lassen soll. Du kriegst immer mehr Starallüren, Jason.«
»Ach was! Ich will es noch heute Nacht.«
Sie verabschiedeten sich mit einer gewissen Anspannung, aber als Jason aufgelegt hatte, erlaubte er sich ein breites Grinsen. Endlich konnte er den Mythos vom launischen Künstler mal für seine Zwecke nutzen. Paul war zu sehr auf seine Erfolge angewiesen, um ihm eine so harmlose Bitte abzuschlagen.
Nach dem Gespräch war er sich sicher, dass sein Agent den Inhalt des Storyboards, das Minerva ihm geschickt hatte, nicht kannte. Genau wie Edgar Frey selbst glaubte Paul, dass der Wissenschaftler eine völlig harmlose Substanz einnehmen würde. Aber in Minervas Drehbuch geschah genau das Gegenteil. Nur wenige Minuten nachdem er die Tablette geschluckt hatte, war der Wissenschaftler tot. Was hatte diese Abweichung zu bedeuten? Gab es etwa ein geheimes Drehbuch für Freys Sendungen, das weder er noch sein Agent kannten? Es konnte ja wohl nicht sein, dass der Produzent die Absicht hatte, ihn zu töten … Und wenn doch?
In der Welt des Showbusiness war es gang und gäbe, dass erfolgreiche Serien plötzlich wegen tragischer Unglücksfälle endeten. Darin wurde schließlich das Leben bestimmter Leute vor der ganzen Welt ausgebreitet und in jedem Leben gibt es nun mal Unfälle, manchmal mit katastrophalen Folgen. Bis zu diesem Tag war Jason nie auf die Idee gekommen, dass auch diese »Unfälle« in den Drehbüchern standen. Er wusste, wenn einem Medienstar etwas zustieß, wurden Wiederholungen seiner besten Sendungen nachgefragt, was für den Produzenten eine zusätzliche Einnahmequelle bedeutete. Aber der Gedanke, dass solche Vorfälle genauso geplant wurden wie alles andere … Nein, das ging eindeutig zu weit. Erstens würde niemand freiwillig sein Leben opfern, um einen Produzenten reicher zu machen. Nicht nur die Stars, auch die Agenten würden sich für so etwas nicht hergeben. Und erst recht nicht die Drehbuchautoren. Sie waren die Schöpfer dieser Figuren, die auf dem ganzen Planeten Erfolge feierten, warum sollten sie sie also beseitigen wollen?
Vielleicht aus demselben Grund, aus dem die Schriftsteller früher ihre Hauptfigur am Ende der Geschichte sterben ließen , sagte sich Jason mit einem plötzlichen Schauder.
Vielleicht hatte Minerva ihm mit diesem Drehbuch genau das sagen wollen. Sie hatte es ihm absichtlich geschickt, um ihm vor Augen zu führen, wie es einem Showstar ergehen konnte, wenn er nicht aufpasste.
Vielleicht war dieses Skript als Warnung gedacht …
Aber wie sollte er es dann verstehen? Was genau erwartete Minerva von ihm? Dass er eine Lehre daraus zog und auf der Hut blieb, um nicht in eine Falle zu tappen wie die, die man Edgar Frey gestellt hatte? Oder wollte sie noch etwas anderes? Möglicherweise hatte sie ihm die Geschichte des Wissenschaftlers geschickt, damit er etwas unternahm, damit er seinen Tod verhinderte …
Aber das ergab keinen Sinn. Wenn Minerva Freys Tod verhindern wollte, warum warnte sie ihn dann nicht selbst? Sie hatte diese Möglichkeit, sie war seine Drehbuchautorin. Außerdem war doch davon auszugehen, dass die finstere Version des Drehbuchs, das der Wissenschaftler vermutlich nicht bekommen hatte, von ihr stammte. Freys Leben lag in ihrer Hand. Sie musste nur das Drehbuch ändern, um die Katastrophe zu verhindern.
Aber vielleicht war das nicht so einfach. Vielleicht hatte nicht einmal Minerva selbst die Wahl.
Mit zitternden Fingern rief Jason auf seinem Handy das Programm auf, in dem sich das Storyboard von Edgar Frey öffnen ließ. Noch einmal wurden die Panels seiner Geschichte in die Luft projiziert, stumm und reglos. Das zu Bildern geronnene Schicksal eines Mannes, vor den aufgerissenen Augen eines anderen Mannes, der nicht wusste, wie er ihm helfen sollte …
Da fiel Jason ein Detail auf. Auf den ersten Panels trug Freys Assistentin unter ihrem
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