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Verdammt wenig Leben

Verdammt wenig Leben

Titel: Verdammt wenig Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Alonso , Javier Pelegrin
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deprimiert, wenn er wieder nach Hause fuhr. So oft hatte er befürchtet, wie sie zu enden. Aber jetzt spürte er instinktiv, dass ihm dieses Schicksal definitiv erspart bleiben würde. Er hatte fliegen gelernt, er war dabei, selbst ein Kapitel seines Lebens zu schreiben, so kurz und unbedeutend es auch ausfallen mochte. Danach würde nichts mehr so sein wie vorher.
    Plötzlich merkte er, dass das Telefon in der Innentasche seiner Jacke vibrierte. Eine Sekunde lang dachte er erschrocken, er wäre entdeckt worden und sein Abenteuer wäre schon zu Ende.
    Nervös zog er das Gerät heraus und wartete darauf, jeden Moment Pauls Hologramm vor sich zu sehen.
    Doch das geschah nicht. Was er gerade bekommen hatte, war kein Anruf, sondern eine Bilddatei. Eine Zeichnung.
    Und zwar von Minerva persönlich.
    Aufmerksam betrachtete Jason die kleine zweifarbige Illustration: ein karamellfarbenes Glasfläschchen voller länglicher dunkler Kapseln. Auf dem Fläschchen klebte ein halb abgelöstes Etikett mit einer verwischten Aufschrift, die praktisch unleserlich war.
    Er aktivierte seinen implantierten Verstärker in der Hoffnung, dass Minerva diese rätselhafte Zeichnung mit einer Erklärung versehen hatte, aber da war nichts. Keine Audiodatei, kein Text. Nur ein winziges vierblättriges Kleeblatt in der rechten oberen Ecke des Bildes.
    Ungehalten schnalzte Jason mit der Zunge. Es schmeichelte ihm, dass Minerva ihm vertraute, aber allmählich reichte es ihm. Wenn das hier ein Spiel sein sollte, war es überhaupt nicht lustig! Seine Drehbuchautorin amüsierte sich vielleicht, aber sie musste ihn gut genug kennen, um zu wissen, dass er keinen Spaß daran hatte.



Um jetzt noch einen Rückzieher zu machen, war er jedenfalls schon zu weit gegangen. Er konnte dieses Abenteuer nicht einfach nach der Hälfte beenden, denn solch eine Chance, sich selbst auszutesten, bekam er vielleicht nie wieder.
    Genau wie er angenommen hatte, war die Glastür, durch die er das Gebäude betreten wollte, verschlossen. Ohne das geringste Zögern zog er aus seinem Rucksack die VIP-Card, die alle Künstler erhielten, sobald ihre Einschaltquote fünf Millionen überstieg, und schob sie in den Schlitz des Kartenscanners.
    Die Tür sprang mit einem dumpfen Klicken auf. Im nächsten Moment befand er sich im Inneren der Fakultät, in einer kleinen Eingangshalle, die direkten Zugang zu den Lastenaufzügen bot.
    In wenigen Minuten würde er in Edgar Freys Labor sein. Bevor er losgegangen war, hatte er sich die letzten Folgen der Serie angesehen, um sich mit dem Arbeitsplatz des Wissenschaftlers vertraut zu machen. Er musste nur den Flur zu seiner Rechten bis zum Ende gehen und dann eine Treppe hinaufsteigen.
    Um sich in der Dunkelheit zu orientieren, benutzte er die Taschenlampenfunktion seines Telefons. Hinter einigen Türen war das Summen von Apparaten zu hören; manche tiefer, andere höher. Hin und wieder vernahm er auch ein mitleiderregendes, heiseres Bellen, das aus einem fernen Winkel des Gebäudes zu kommen schien.
    Oben angelangt, brauchte er nur die Klinke der Labortür herunterzudrücken, die sich ohne Widerstand öffnen ließ. In Edgar Freys Hauptquartier roch es nach Formalin und Bierhefe und irgendwie auch modrig und faul, was er nicht genau zuordnen konnte. Zu hören war nur das gleichmäßige Plätschern der Flüssigkeit in den Kolben, die in den Stahltruhen an einer der Wände permanent durchgerührt wurde. An der gegenüberliegenden Wand standen auf einem breiten weißen Arbeitstisch Dutzende von Reagenzgläsern in Metallhalterungen und spiegelten das bleiche Mondlicht, das durch die Fenster direkt hinter ihm hereinfiel.
    Was er suchte, befand sich nicht in diesem ersten Raum, sondern in einem zweiten, den man durch eine Schiebetür betrat. Es handelte sich um einen sehr kleinen Raum, in dem sich nur ein Stahltisch mit Dunstabzugshaube und ein Drehhocker befanden. Auf dem Tisch lagen ein halbes Dutzend Petrischalen mit einer gallertartigen braunen Substanz sowie zwei elektronische Pipetten ungeordnet durcheinander.
    Das gesuchte Pillendöschen befand sich in einem kleinen Einbaukühlschrank rechts neben der Tür. Er erkannte es sofort, denn es sah genauso aus wie im Storyboard. Ohne lange zu überlegen, nahm er es an sich und legte dafür das Döschen hinein, das er mitgebracht hatte.
    In dem Moment, als er den Kühlschrank zumachen wollte, ließ ihm ein schwacher, unmenschlicher Laut die Haare zu Berge stehen. Er sah sich um und versuchte das

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