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Verdammt wenig Leben

Verdammt wenig Leben

Titel: Verdammt wenig Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ana Alonso , Javier Pelegrin
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Stimme am anderen Ende der Leitung klang kratzig und nervös.
    »Was ist los, Jason? Ich habe das Abendessen im Club Siebzig gesehen. Gestern war nicht unbedingt dein bester Tag.«
    »Hör mal, Paul, ich habe eine dringende Frage. Was zum Teufel ist mit Minerva los? Warum hat sie mir vorgestern das Drehbuch nicht geschickt? Warum geht sie nicht ans Telefon, wenn ich sie anrufe?«
    Mehrere Sekunden lang war nur Schweigen zu hören.
    »Frag lieber nicht, Jason«, sagte Paul schließlich. »Ich weiß auch nicht, was mit ihr ist.«
    »Aber du weißt mehr als ich. Ich brauche Antworten, verstehst du das nicht? Die Tage vergehen und sie lässt immer noch nichts von sich hören.«
    »Eigentlich sollte ich es für mich behalten, und ich kann dir nur raten, niemandem von diesem Gespräch zu erzählen, im Fall der Fälle werde ich nämlich alles abstreiten.« Paul klang irgendwie gehetzt. »Der Produzent macht sich große Sorgen, Jason. Minerva ist verschwunden. Seit vier Tagen ist sie unauffindbar. Ihr einziges Lebenszeichen in dieser ganzen Zeit ist anscheinend das Drehbuch, das sie dir aus Versehen geschickt hat. Ich habe es am selben Abend einem aus der Marketingabteilung erzählt. Ich hoffe, das war kein Fehler.«
    »Was kann denn mit ihr los sein?« Jason schrie fast. »Ist jemand bei ihr zu Hause gewesen?«
    »Sie ist weder in ihrem Apartment noch in ihrem Landhaus. Keiner ihrer Freunde hat etwas von ihr gehört. Die Bosse sind ziemlich nervös. Sie befürchten, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte.«
    Jason holte tief Luft. Er zumindest wusste, dass Minerva nichts Schlimmes passiert war. Schließlich schickte sie ihm jeden Tag Drehbücher, oder? Das hieß, sie war am Leben.
    Natürlich hätte er Paul von dem neuen Drehbuch erzählen können und auch von der Bildnachricht mit dem Tablettenfläschchen. Aber etwas mahnte ihn, es für sich zu behalten. Wenn er davon anfing, würden bloß Fragen kommen. Außerdem hatte Minerva sicher einen guten Grund, wenn sie sich versteckte. Und Paul war nicht gerade für seine Diskretion bekannt.
    »Was ist mit ihren anderen Klienten?«, fragte Jason stattdessen. »Jede Menge erfolgreiche Sendungen sind auf ihre Arbeit angewiesen.«
    »Auf ihrem Computer wurden Drehbücher für die nächsten Folgen fast aller ihrer Serien gefunden. Genauer gesagt – von allen außer von deiner, Jason. Tut mir leid, ich weiß, das ist eine ziemlich schlechte Nachricht. Aber früher oder später musste ich es dir sagen. Wenn Minerva nicht wieder auftaucht, müssen wir dir einen anderen Drehbuchautor suchen. Ich weiß, du hast dich an sie gewöhnt, aber es gibt Hunderte von guten Drehbuchautoren, die liebend gern für dich schreiben würden.«
    Jason nahm sich für die Antwort einen Moment Zeit. Er versuchte die verschiedenen Puzzleteile in seinem Kopf zusammenzusetzen.
    »Wie erklärst du es dir denn?«, fragte er schließlich.
    Paul antwortete auch nicht sofort.
    »Ich dürfte eigentlich nicht so viel reden, aber irgendwie hast du ein Recht, es zu erfahren. Sie tippen auf Selbstmord, Jason. Es ist, als hätte sie alles vorbereitet, verstehst du, was ich meine? Die Drehbücher für mehrere Wochen, teilweise sogar für Monate …«
    »Außer denen für mich.«
    »Ja. Außer denen für dich. Wer weiß, vielleicht taucht sie ja wieder auf. Noch ist nicht so viel Zeit vergangen, dass man die Hoffnung ganz aufgeben muss. Deswegen wollte ich auch noch nicht über die Sache reden. Also halt dich bitte zurück. Die anderen Klienten wissen nichts. Solange sie ihre Drehbücher bekommen, müssen sie es ja auch nicht erfahren. Auch Alice nicht … Habe ich mich klar ausgedrückt?«
    Er hatte sich glasklar ausgedrückt, wie immer. Jason bedankte sich und legte auf. Selbstverständlich würde er Alice nichts sagen. Ihm fielen die offenen Schubladen gestern in seinem Schlafzimmer ein. Über dem, was danach zwischen ihnen passiert war, hatte er es ganz vergessen, aber jetzt sah er alles wieder vor sich: die auf dem Boden verstreuten Schuhe, ihr kreidebleiches Gesicht …
    Wonach hatte sie bloß gesucht? Und vor allem: Was war der wirkliche Grund für ihren nächtlichen Besuch gewesen? War sie nur gekommen, um ohne Kameras bei ihm zu sein?
    Oder weil sie wusste, dass er nicht zu Hause war?
    Die Eile, mit der sie ihn ins Bett bugsiert hatte, war irgendwie verdächtig gewesen, das wurde ihm jetzt klar. So war Alice eigentlich nicht. Er hatte immer etwas Zurückhaltendes an ihr wahrgenommen, etwas Widerspenstiges, das

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