Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
auch in Holland landen wird, um den linken Flügel der Franzosen zu sichern?«
» Da haben wir’s«, wendet sich Brandon an Trench, » solche Verträge sollten geheimgehalten werden, findest du nicht? Aber nein, man mußte es in alle Welt hinausposaunen.«
» Ich frage mich«, sagt Tapken unbeirrt, » ob mit diesen Gerüchten von deutschen Invasionsabsichten unser Denken nicht in die falsche Richtung gelenkt werden soll. Umgekehrt wäre ein Einfall einer englischen Expeditionsarmee in Ostfriesland im Kriegsfall doch durchaus vorstellbar. Die Franzosen könnten ihn über Belgien und Holland flankierend unterstützen. Und da wäre ein stark befestigtes Borkum natürlich im Weg.«
» Dazu kann ich nichts sagen, Sir«, erwidert Captain Trench, » ich habe zwar von solchen Gerüchten gehört, aber über Planungen für den Kriegsfall bin ich nicht informiert.«
» Und wenn Sie es wären, würden Sie es mir nicht sagen. Dafür habe ich vollstes Verständnis, Captain Trench«, antwortet Tapken.
Seiler kennt diese Gerüchte. In der englischen Presse erscheinen seit Jahren alarmierende Artikel, in denen behauptet wird, das Deutsche Reich wolle die Niederlande annektieren, holländische Häfen zu Kriegshäfen ausbauen und von dort aus, quasi aus nächster Nähe, England angreifen. Borkum als westlichste der Ostfriesischen Inseln spielt in solchen Phantastereien eine Schlüsselrolle. Man sieht in der Befestigung der Insel ein Näherrücken an England und fürchtet ein schwerbewaffnetes friesisches Gibraltar, das die Emsmündung und den Hafen von Emden schützen soll. Zugleich würde eine Flottenbasis dort eine akute Bedrohung der englischen Südostküste darstellen.
» Da wäre noch etwas«, sagt Seiler. » Die Polizei hat in Ihrem Borkumer Hotelzimmer einen Fragebogen zu den Ostfriesischen Inseln gefunden. Er enthielt konkrete Fragen zur Lage von Küstenbatterien, Scheinwerferstellungen, Nachschubwegen dorthin et cetera, und Sie, beziehungsweise Lieutenant Brandon, haben ihn recht sorgfältig ausgefüllt. Von wem stammt dieser Fragebogen?«
» Well, ich kann nur sagen, was wir bereits während der Gerichtsverhandlung ausgesagt haben. Wir haben uns in der Admiralität erkundigt, was man dort gerne wissen würde.«
Tapken nickt. » Ja. Für mich sieht das jedoch nicht so aus, daß Sie aus eigenem Antrieb gearbeitet haben. Wer hat Sie denn nach Deutschland geschickt?«
» Niemand, Sir. Soweit ich informiert bin, gibt es in England keine professionelle Spionageorganisation, falls Sie darauf hinauswollen. Unser Besuch der deutschen Nordseeküste war eine private Informationsreise. Wir haben sie während unseres Urlaubs und auf eigene Kosten unternommen, weil uns der Mangel an Nachrichten über deutsche Küstenstützpunkte Sorgen gemacht hat.«
» Nun gut«, meint Tapken, » ich muß Ihre Antwort akzeptieren. Glauben kann ich sie dennoch nicht. Irgendwo in der Admiralty oder im War Office wird es sicherlich einen Verein geben, der für Spionage im Ausland zuständig ist.«
Er steht auf und reibt sich die Hände. » Wie wär’s, Gentlemen, wollen wir einen Spaziergang in die Stadt hinunter machen? Ein wenig über den Weihnachtsmarkt bummeln? Ich möchte gern noch ein paar Mitbringsel für meine Frau und die Kinder besorgen.«
London, Secret Service Bureau, 23. Dezember 1912, Montag
Kurze Besprechung morgens um acht Uhr in Kells Büro. Drummond zieht sich danach ins Vorzimmer zurück und setzt sich an den Schreibtisch. Das War Office hat neue Fragebogen an das Personal der inoffiziellen Abteilungen verschickt, und so einen muß er ausfüllen. Das wird ihn mindestens eine Viertelstunde kosten. Er hat kaum angefangen, als Melville und der Captain in Eile das Büro verlassen, ohne zu sagen, was sie vorhaben. Drummond bleibt allein zurück, denn Mr. Westmacott ist heute nicht da. Zwanzig Minuten später beantwortet er die letzte Frage, die Angaben zu einem vorhandenen Privatvermögen verlangt, mit Nein.
Er legt den ausgefüllten Fragebogen auf Kells Schreibtisch zur Unterschrift. Da fällt ihm ein Bündel frankierter Briefe neben dem Telephon auf. Ein daumendicker Stapel, mit einer Schnur zusammengebunden. Es sind weiße und blaßviolette Kuverts. Er zieht eins heraus und liest die Anschrift: Herrn A. Seiler, Niemannsweg 7, Kiel, Germany. Absender: V. Peterman, c/o Riley, 25 Clare Market, London, WC . Poststempel vom 6. Dezember 1912. Hastig nimmt er ein Kuvert nach dem anderen in die Hand. Die lilafarbenen sind Briefe von
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