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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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Vivian an Seiler, die weißen sind von Seiler an Vivian, adressiert c/o Emmeline Riley, und sie sind alle geöffnet.
    Er spürt, wie seine Stirn heiß wird. Melville hat das Bündel mitgebracht, erinnert er sich, und in der Eile wohl hier liegenlassen. Er knirscht mit den Zähnen. Dieser Schuft hat ihre Post nicht nur gelesen, er hat sie unterschlagen! Warum tut er das?
    Er schaut sich die Poststempel noch einmal an. Der älteste ist vom 24. November. Er zögert ein paar Sekunden, ob er sie mitnehmen soll, aber das geht nicht, Melville wüßte sofort, wer sie genommen hat. Schnell notiert er sich von jedem Brief Absender, Adressat und Poststempel, dann bringt er das Bündel wieder in Ordnung, legt es zurück und verläßt das Büro. Er zieht seinen Mantel an, schließt ab und eilt die Treppe hinunter.
    Vor einer Woche ist er von der Beobachtung Petermans abgezogen worden. Das war auch höchste Zeit, inzwischen muß er für die Anwohner im Cecil Court bereits ein vertrauter Anblick geworden sein, ungeachtet aller Verkleidung. Dieser Personalmangel ist wirklich idiotisch.
    Er beobachtet jetzt den Vedächtigen Karl Ernst, Friseur von Beruf, der einen Barbershop in 402a Caledonian Road in Islington hat. Ernst ist Brite, aber in Deutschland geboren, und er ist der Mann, der laut Melville Briefe der Agenten in Großbritannien nach Deutschland weiterleitet und umgekehrt. Von ihm kann Melville die Briefe von Seiler und Petermans Tochter kaum erhalten haben. Er muß sie sich beim General Post Office besorgt haben. Der Mann ist wie eine Spinne, die ihre Fäden überall hat.
    Zug Breslau– Berlin, 23. Dezember 1912, Montag
    Im Zug nach Berlin unterhalten sich Seiler und Tapken über den Einwurf der Engländet, die Deutschen hätten ja überall in England Spione.
    » Ich habe das schon öfter gehört«, sagt Tapken, » man scheint dort wirklich zu glauben, daß wir großangelegte Spionageoperationen durchführen.«
    » Tun wir das denn nicht?«, fragt Seiler, und Tapken erwidert: » Nein, wie auch? Es gibt ja kaum Mittel dafür, obendrein gilt es höheren Orts als unanständig. Es ist bei uns nicht anders als bei den Briten, meist ist es dem Zufall und der Privatinitiative überlassen. Sehen Sie, in den vergangenen fünfzehn Jahren wurden von der Marine an jedem relevanten Ort Englands Agenten angeworben, die zwar nicht selbst tätig wurden, aber doch jederzeit Auskunft über Vorgänge etwa im Hafen geben konnten oder als Kontakt für zu bestimmten Zwecken entsandte Agenten dienen mochten. Sie wissen natürlich nicht, um was es geht. Man sagt ihnen, es handle sich um allgemeine Informationen, Schiffsnachrichten oder ähnliches. Dabei geht es uns um Nachrichten über englische Kriegsschiffe, über Werften und Dockanlagen, also Informationen, die jede Marine auf der ganzen Welt sammelt und auswertet, allen voran die Briten. Leider aber fehlt es am Geld, um diese Agenten zu motivieren und bei der Stange zu halten. Fest bezahlte Agenten in London etwa, die nichts weiter zu tun haben, als Briefe in Empfang zu nehmen und nach Deutschland weiterzuleiten, erhalten im Höchstfall zwanzig Mark im Monat, also gerade mal ein Pfund. Die Zuteilung von Geldern hängt vom jeweiligen Chef des Admiralstabes ab. Tritt nun einer die Stelle an, der für Spionage nichts übrig hat, gibt es kein Geld. Alle Arbeit bis dahin war somit umsonst, und die angeworbenen Agenten gehen uns verloren.«
    » Le Queux schreibt in Spies of the Kaiser, daß mehr als fünftausend deutsche Agenten in England aktiv seien, und gibt sogar an, wieviel sie verdienen, zehn bis dreißig Pfund«, bemerkt Seiler.
    » Ja, hab’s gelesen«, sagt Tapken, » purer Humbug! Wenn fünftausend Agenten, sagen wir mal, jeder zwanzig Pfund im Monat erhielten, wären das allein schon weit über hunderttausend Pfund! Das wären dann zwei Millionen Goldmark pro Monat! Ha! Der jährliche Spionagefonds der deutschen Marine beträgt nicht einmal vierzigtausend Mark. Diese lächerliche Summe ist eine Folge der verdammten Pfennigfuchserei, die man im Reichstag den militärischen Bedürfnissen gegenüber treibt. Und was die fünftausend Agenten angeht, wir haben nicht mal zwanzig drüben.«
    » Man kann über den Mann nur den Kopf schütteln«, sagt Seiler.
    » Ja«, meint Tapken, » aber sein Einfluß auf die Briten ist unglaublich. Dieser fanatische Idiot wird uns alle noch in den Krieg treiben.«
    Schweigend schauen sie eine Weile aus dem Fenster. » Verflixt«, sagt Tapken plötzlich und

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