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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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deshalb zuerst nach Oxford, damit ich nicht aus irgendeiner Hafenstadt ankomme? Und dieser Ewell, den ich dort aufsuchen soll? Der wird Ihnen weiterhelfen, mehr hat Steinhauer nicht gesagt. Komischer Name, wundert er sich und gähnt; waren Steinhauers Vorfahren Steinmetze? Hat er womöglich etwas mit den Freimaurern zu tun?
    Er wacht auf, als die abgelöste Maschinenwache in den Mannschaftsraum zurückkehrt. Durchs offene Schott hört er sie reden.
    » Un wat is, wenn uns die Engländer spitzkriegen, in Schottland? Is denn Krieg, und wir sin schuld?«
    » Denn ham wir uns eben verfahren.«
    » Quatsch. Das glaubt doch kein Schwein.«
    » Der Alte könnte so tun, als ob wir ’nen Nothafen anlaufen mußten. Wegen Maschinenschaden oder so was.«
    » Ja, und denn? Denn wollen uns die Tommys helfen und schnüffeln überall im Boot rum. Det jeht nich.«
    Eine Weile sind sie still.
    » Junge, Junge! Stell dir bloß man vor, so’n englisches U-Boot taucht in Kiel mitten in der Förde auf!«
    » Gäb ’nen ganz schönen Aufruhr.«
    London, Petermans Bookshop, 7. März 1913, Freitag
    Seit dem Brandanschlag in Kew Gardens rechnet Vivian täglich mit ihrer Festnahme. Olive Wharry und Lillie Lenton, ihre richtigen Namen kennt sie inzwischen, sind beide Ende Februar verhaftet worden. Sie haben anscheinend keine Aussagen gemacht, denn die Polizei ist bisher nicht aufgetaucht. Dennoch, innerlich zittert sie vor Angst. Wenn sie noch einmal verurteilt wird, wird sie wohl kaum mit nur vier Wochen davonkommen. Sie beißt sich auf die Unterlippe. Brandstiftung! Wie konnte sie nur so dumm sein und dabei mitmachen? Aber es ist nun einmal geschehen, und darum hat es keinen Zweck zu jammern.
    Sie traut sich kaum mehr aus dem Haus, außer für die nötigsten Einkäufe. Gott sei Dank kommt Mrs. Rutherford wieder regelmäßig. Nach Vaters Verhaftung hat sie sich eine ganze Woche lang nicht mehr in die Nähe gewagt. Die arme Frau hatte schreckliche Angst, daß sie ebenfalls ins Gefängnis kommen würde. Vivian hat sie schließlich in ihrer schäbigen Wohnung im Eastend aufgesucht und so lange bekniet, bis sie endlich nachgab. Aber abends ist es schwer auszuhalten, die Stille in der Wohnung ist bedrückend, und der Laden ist ohnehin geschlossen.
    Um vier zahlt sie Mrs. Rutherford aus und verabschiedet sie. Dann macht sie sich Tee und setzt sich damit aufs Sofa, um ein bißchen zu lesen. Sie quält sich durch ein Dutzend Seiten von Thackerays Vanity Fair, bis sie merkt, daß sie den letzten Absatz schon dreimal überflogen hat, ohne ein Wort zu begreifen. Da wirft sie das Buch hin und steht auf.
    » Ich muß raus«, sagt sie laut, » ich werd noch verrückt von der Stubenhockerei.«
    Sie zieht den Mantel an, setzt den grünen Hut mit dem Paillettenband auf, schnappt sich ihr Täschchen und verläßt das Haus. Ein rascher Rundblick überzeugt sie, daß in der Gasse alles seinen gewohnten Gang geht. Der Kameraladenmann schwatzt mit zwei jungen Verkäuferinnen in blauen Kittelschürzen, vor Watsons Bookshop lädt ein Junge Schachteln auf einen Bollerwagen, und beim Straußenfederladen hat der alte Tom seine Scherenschleiferkarre aufgestellt. Fünf Kinder stehen davor und freuen sich über die Funken, die vom Schleifstein spritzen. Sonst wandern nur ein paar Schaufensterbummler herum, keinen würde sie für einen Detektiv halten.
    Inzwischen kann ich die riechen, denkt sie, während sie vor zur Charing Cross geht. Die zwei, die sie früher öfter gesehen hat, sind ihr immer durch eine Art betonter Unachtsamkeit aufgefallen, haben hierhin und dorthin geguckt, nur nicht in ihre Richtung. Nur dieser verfluchte Morgan mit dem Stock war anders. Der hat sie immer ganz offen angestarrt und manchmal sogar gegrinst, der unverschämte Mensch.
    An der Strand nimmt sie den Motorbus zum Tower, nur weil er gerade vor ihrer Nase hält. Sie hat kein Ziel. Irgendwohin, wo sie noch nicht war oder wenigsten noch nicht oft und es etwas Ablenkung gibt. Am Trinity Square steigt sie aus, bummelt um den Tower herum und überlegt, wohin sie gehen soll. Vor ihr erheben sich die klotzigen Türme der Tower Bridge, aber rüber auf die Surrey Side will sie nicht. Da drüben ist Bermondsey, ein häßliches Viertel mit Gerbereien und Leimsiedereien, die einen üblen Gestank verbreiten. Sie biegt in die St. Katherine’s ein, vorbei an der Irongate Wharf, wo die Fährdampfer vom Kontinent anlegen. Hier ist Adrian angekommen, vor einem halben Jahr, bevor sie nach Schottland

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