Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
drückt seinen Arm. » Na, das Übliche. Daß wir uns ein wenig angefreundet haben und darüber hinaus nichts miteinander haben.«
Später, auf dem Rückweg zum Hotel, grübelt er, was aus ihrer Liebe werden soll, sofern sie seine Gefühle im gleichen Maß erwidert, was er immer noch nicht sicher weiß. Ein wenig angefreundet, hat sie gesagt, und daß wir nichts miteinander haben; zu ihrem Vater, freilich. Oder war es für ihn gedacht? Will sie ihn auf Abstand halten? Ärgerlich schüttelt er den Kopf. Nein, das ist ein dummer Gedanke. Er spürt doch, daß sie ihn mag. Aber würde sie ihn heiraten? Und mit ihm nach Deutschland kommen? Oder sollte er seine Marinekarriere aufgeben und nach London ziehen? Er erschrickt fast, als ihm bewußt wird, daß er selbst das für sie tun würde. Jedenfalls, wenn es gar nicht anders geht. Aber was könnte er hier arbeiten, um sie beide zu ernähren? Als Deutscher? Wer würde hier in diesen Zeiten einen Deutschen einstellen? Aber vielleicht könnte N einen Agenten brauchen, der einen festen Wohnsitz in London hat? Vivian dürfte den wahren Grund dafür allerdings nicht erfahren. Dafür kennt er sie noch zu wenig. Wer weiß, wie sie darauf reagieren würde. Außerdem will er sie nicht in Gefahr bringen. Aber wie soll er ihr dann seine Reisen erklären? Er bräuchte einen Tarnberuf, irgend so etwas wie Vertreter oder Pressekorrespondent.
London, Cecil Court, 17. August 1911, Donnerstag
Am Freitag letzter Woche ist Drummond, zusammen mit Melville, nach London zurückgekehrt. Der Detektiv hat die Vermutung geäußert, Seiler halte sich entweder in Edinburgh versteckt oder habe das Land bereits unerkannt verlassen, vielleicht mit dem Schiff von Dundee oder Newcastle.
Drummond muß weiter Peterman beobachten. Am Tag nach ihrer Ankunft in London hat Melville alles so eingerichtet, daß er sich als angeblicher Angestellter in dem Kamerageschäft gegenüber von Petermans Bookshop aufhalten kann. So wird er nicht mehr im Cecil Court herumlungern, was dem Buchhändler früher oder später zweifellos aufgefallen wäre. Dem Inhaber gegenüber sind sie als Beamte von Scotland Yard aufgetreten, und Melville hat den Mann zu strengstem Stillschweigen verpflichtet.
Drummond steht daher, wie jeden Tag seitdem, hinter der Ladentür, behält den Bookshop im Auge und langweilt sich. Kurz vor zehn Uhr sieht er, wie Petermans Tochter das Haus verläßt, und macht sich eine Notiz. Gegen Mittag kehrt sie mit Einkäufen zurück. Die Stunden vergehen. Hin und wieder setzt er sich auf einen Stuhl, der so plaziert ist, daß er durch das Schaufenster die Petermansche Tür sehen kann, und blättert in Kameraprospekten herum. Bisher hat kein einziger Kunde den Laden betreten, den Kamerashop übrigens auch nicht.
Erst am späten Nachmittag tut sich wieder etwas. Eine attraktive junge Frau mit auffallend kupferroten Haaren unter einem grünen Hut betritt den Bookshop. Eine halbe Stunde später kommt sie wieder heraus, zusammen mit Vivian. Die beiden unterhalten sich angeregt, während sie in Richtung St. Martin’s Lane gehen. Drummond setzt seine Mütze auf und folgt ihnen. Damit vernachlässigt er zwar die Beobachtung des Buchladens, aber er hält es im Kameraladen einfach nicht mehr aus, zumal der Inhaber von seiner Anwesenheit alles andere als begeistert ist.
Die beiden Frauen gehen Richtung Victoria Embankment und setzen sich in der Parkanlage bei Cleopatra’s Needle auf eine Bank. Vivians Bekannte nimmt den Hut ab und schüttelt ihre Locken, rotes Feuer blitzt im grellen Sonnenlicht, als stünde ihr Haupt in Flammen.
Das ist mal eine Frau nach meinem Geschmack, denkt Drummond. Er muß sich zwingen, sie nicht anzustarren. Er setzt sich auf die Ufermauer neben eine der beiden großen Sphinxe, die den Obelisk flankieren, und steckt sich eine Zigarette an. Die beiden Frauen plaudern miteinander und teilen sich Vivians Sonnenschirm. Die Rothaarige ist eindeutig die lebhaftere, sie lacht und gestikuliert, während Vivian still dasitzt, die Hände im Schoß.
Was sie reden, kann er nicht hören, es würde ihnen auffallen, wenn er näher heranginge. Er tut, als sähe er sie nicht, und schaut dem Verkehr auf der Themse zu. Das Wasser glitzert in der Sonne, und wie immer wimmelt es auf dem Fluß von Schleppzügen, Barkassen und Kähnen. Eben legt das Greenwichboot von der Temple Pier ab und schaufelt sich qualmend in den Strom, das Deck voller Ausflügler. Kein Wölkchen am Himmel, denkt er, seit sechs Wochen
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