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Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)

Titel: Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerhard Seyfried
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mein Verein hält große Stücke auf Sie. Ihrer Karriere wird es nicht schaden, dafür wird schon gesorgt werden.«
    Seiler zuckt die Achseln. » Ich tue, was befohlen wird. So sind die Spielregeln. Aber wenn ich die Wahl hätte, würde ich natürlich lieber zur See fahren, anstatt mich hinter einem Schreibtisch mit Akten und Listen herumzuschlagen.«
    » Angst vorm Papierkrieg? Ja, da hört auch bei mir die Tapferkeit auf!« Reimers lacht so laut, daß sich ein paar Gäste nach ihm umdrehen, aber gleich wird er wieder ernst, beugt sich vor und sagt leise: » Keine Sorge. Man will Sie wieder nach England schicken, und zwar recht bald.«
    Berlin, Lehrter Bahnhof, 2. Oktober 1912, Mittwoch
    Der Schnellzug Kiel– Lübeck– Berlin hält in der großen gläsernen Halle des Lehrter Fernbahnhofs. Fünfeinhalb Stunden hat die Fahrt gedauert. Jenseits der Spree erblickt er den Reichstag. Da er sich in Berlin nicht auskennt und mit zwei Koffern belastet ist, nimmt er eine Kraftdroschke zur Königgrätzer Straße 70, fast am Halleschen Ufer und nicht weit vom Anhalter Bahnhof. Hier, nicht etwa im Admiralstabsgebäude am Leipziger Platz, ist die Nachrichtenabteilung des Reichsmarineamtes untergebracht. Die Droschke bezahlt er aus eigener Tasche, für die Bahnfahrt hatte er einen Freifahrtschein der Marine.
    Er meldet sich beim Admiralstabssekretär, Leutnant zur See Georg Stammer. Der teilt ihm mit, daß ihm fürs erste eine Dienstwohnung im Nebengebäude zugeteilt worden ist. Nichts Großartiges, zwei Zimmerchen nur, aber immerhin mit einem Brausebad. Dann gleich zum Chef.
    Arthur Tapken, Kapitän zur See und Chef der Marinenachrichtenabteilung N, ist ein stämmig gebauter Westfale. Noch nicht ganz fünfzig, ist sein volles, gelocktes Haar an den Schläfen schon silbrig, der kurzgeschnittene Vollbart mit grauen Strähnen durchsetzt. Wie sein Leutnant trägt er Uniform. Am Knopfloch der Brusttasche hängt die Chinamedaille mit dem deutschen Adler, der den chinesischen Drachen in seinen Fängen hält.
    Tapken begrüßt ihn geradezu herzlich. » Willkommen bei uns, Herr Oberleutnant! Freue mich, daß wir uns endlich begegnen!«
    Er weist auf die Ledersessel vor seinem Schreibtisch. » Bitte Platz zu nehmen! Angenehme Reise gehabt?«
    Seiler bejaht höflich und sieht sich um. Ein schlichtes Büro mit zwei hohen Fenstern, weiße Gardinen und blaue Vorhänge mit Ankermotiv, Eichenholzschreibtisch mit zwei Telephonapparaten, ein Aktenschrank. Gerahmte Photographien an den Wänden: Tapken als Kapitänleutnant vor dem ausgebrannten Tschien-men-Tor in Peking, Tapken vor der zerschossenen deutschen Gesandtschaft, der Große Kreuzer Hertha, Admiral Bendemann, Admiral Seymour. Tapken ist seinem Blick gefolgt und erklärt: » Boxeraufstand! War seinerzeit Admiralstabsoffizier unter Bendemann beim Ostasiengeschwader.« Er weist auf eine Schiffsphotographie an der Wand hinter seinem Sessel: » Großer Kreuzer Yorck. War mein letztes Kommando auf See, bevor ich hier gelandet bin.«
    Es klopft, und er ruft: » Herein!« Leutnant Stammer tritt ein und meldet: » Herr Reimers, Herr Kapitän!«
    Reimers, in Zivil, schiebt sich an Stammer vorbei, grüßt den Kapitän und grinst Seiler an. » Tag, Seiler!« Sie schütteln sich die Hände, dann setzt sich Reimers in den zweiten Sessel und schlägt die Beine übereinander.
    » Ich denke, wir lassen den Reimers mal weg, solange wir unter uns sind«, meint Tapken. » Es ist natürlich nicht sein richtiger Name. Ich darf vorstellen: Gustav Steinhauer, vormals Kriminalkommissar in Berlin. Unser Englandspezialist.«
    Stammer kommt noch einmal herein, ohne zu klopfen, und legt dem Kapitän einen dicken grauen Aktendeckel vor. Tapken setzt eine Brille auf, öffnet die Akte und beugt sich stirnrunzelnd darüber. Er blättert in Papieren herum, murmelt: » Gut. Sehr gut.« Dann blickt er auf und sagt: » Also, Herr Oberleutnant, letztes Jahr im August haben Sie ja einmal in Rosyth aufgeklärt, nicht wahr? War nicht viel los dort, wie Ihrem Bericht zu entnehmen war. Kurz und gut, ich hätte gern, daß Sie sich die Gegend noch einmal ansehen. Angeblich hat sich dort inzwischen einiges getan.«
    Seiler nickt: » Jawohl, Herr Kapitän.«
    » Sie werden dieses Mal besser ausstaffiert. Sie werden eine Kamera bekommen, denn wir legen Wert auf photographische Aufnahmen. Oft lassen sich darauf Dinge erkennen, die man als Beobachter vor Ort gar nicht wahrnimmt. Kennen Sie sich mit der Photographie aus?«
    Seiler

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