Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
verneint.
» Macht nichts. Leutnant Stammer kennt sich gut damit aus und wird Sie in diese Kunst einweihen. Heutzutage ist das recht einfach, man braucht sich nicht mehr um Entwickeln und diesen ganzen Chemikalienkram zu kümmern. Ferner werden wir Sie etwas großzügiger mit Geld ausstatten, denn auf Vorschlag von Herrn Steinhauer werden Sie sich als Reiseschriftsteller aus Southampton ausgeben. Und zwar arbeiten Sie als britischer Rechercheur für den Leipziger Baedeker-Verlag.«
Er nimmt ein braunes Kuvert aus der Akte und reicht es ihm. » Wir haben da einiges vorbereitet für Sie. Hier ist ein Satz Dokumente, der Sie als Beauftragten der allseits bekannten Reisehandbücher ausweisen kann, alles auf den Namen Arthur Stewart. Dabei sind Visitenkarten, diverse Empfehlungsschreiben und Spesenabrechnungen. Reisen durch England gehören zu Ihrem Auftrag. Der Verlag weiß zwar nichts davon, aber auf den Visitenkarten ist die Adresse eines angeblichen Verlagsbüros in Berlin angegeben; dort wird man Anfragen bestätigen, sollte es welche geben. Wedeln sie aber nicht damit herum, zeigen Sie die Papiere nur vor, wenn sich die Notwendigkeit ergeben sollte.«
Steinhauer alias Reimers ergänzt: » Photographieren und Beschreiben von Sehenswürdigkeiten ist somit Ihr legaler Broterwerb, auch wenn wir den Begriff ›Sehenswürdigkeiten‹ ein wenig anders auffassen als Baedeker. Den aktuellen Band Großbritannien kriegen Sie natürlich auch mit.«
» Gut«, sagt Tapken, » das wärs fürs erste. Übrigens, Steinhauer wird Ihnen noch ein paar nützliche Ratschläge aus seiner Trickkiste geben, nicht wahr?«
» Natürlich«, erwidert der, » schlage zum Beispiel vor: In England sollten Sie erst mal zwei, drei Tage in Southampton verbringen und Ihre Erinnerung an die Stadt auffrischen, mag sich ja einiges verändert haben in den letzten vierzehn Jahren. Für den Fall, daß man Sie ausfragt.«
Er steht auf und sagt: » Und nach London wird es Sie ja auch ziehen. Es geht aber nicht sofort los. Sie bleiben noch ’ne Woche bei uns, zum Kennenlernen. Und schau’n Sie sich in Berlin mal um. Tolle Stadt, viel geboten!«
Berlin, Nachrichtenabteilung, 3. Oktober 1912, Donnerstag
» Jetzt, da sich England mit der englisch-französichen Marinekonvention eindeutig auf seiten Frankreichs gestellt hat, soll die Aufklärungstätigkeit der Marine-Nachrichtenabteilung in Großbritannien energisch intensiviert werden.«
Tapken hält seinen Vortrag im kleinen Kreis, nur Seiler, Steinhauer, Stammer. Seiler ist klar, daß er der Adressat ist.
» Wir sind lange davon ausgegangen, daß es nicht allzu schwer sein dürfte, Agenten unter den in England lebenden Deutschen zu rekrutieren. Im vergangenen Jahr waren in England 56 000 Deutsche registriert, also etwa null Komma ein Prozent der Gesamtbevölkerung. Inzwischen mußten wir allerdings einsehen, daß es so einfach nicht ist. Mit Appellen an deren Patriotismus sind wir in den meisten Fällen gescheitert. Das liegt daran, daß eine große Anzahl der Deutschen in England entweder Sozialisten sind, die das Kaiserreich ablehnen, oder sie sind gänzlich unpolitisch. Viele bewundern England sogar und preisen seine Freizügigkeit.«
Er sieht sie alle der Reihe nach an, als keine Fragen kommen, fährt er fort: » Zum Beispiel teilte mir der vormalige Marineattaché an der deutschen Botschaft in London, Kapitän Widenmann, im Frühjahr folgendes mit: Die ganze Angelegenheit, nämlich Deutsche in Großbritannien als Agenten für die Marine zu rekrutieren, ist wesentlich komplizierter, als man sich das in Berlin vorstellt. Nur Deutsche in mittleren Jahren, also im Alter zwischen fünfunddreißig und fünfzig, sind für uns brauchbar, denn die jüngeren Herren haben keine feste Stelle und wechseln ihre Arbeitgeber viel zu oft und meist ohne Ankündigung. Ein großer Teil der Angesprochenen lehnt es grundsätzlich ab, für uns zu arbeiten, weil sie dies als feindselig England gegenüber empfinden. Es ist sogar vorgekommen, daß Deutsche, an die wir uns gewandt haben, dies der Polizei meldeten.
Ein großer Teil der deutschen Kolonie besteht zudem aus Flüchtlingen aus der Zeit der Reichseinigungskriege. Diese Leute waren in der Hauptsache mit dem Wechsel der politischen Verhältnisse oder der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nicht einverstanden, wie das in Elsaß-Lothringen besonders deutlich zutage getreten ist.«
Steinhauer meldet sich zu Wort und sagt: » Und von den wenigen Agenten, die
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