Verdammte Deutsche!: Spionageroman (German Edition)
macht sich aus seiner Umarmung frei.
» Unbequem«, erklärt sie ihm atemlos, » und ich kriege keine Luft mehr!«
Er läßt sie los, ein wenig verwirrt, wie ihr scheint.
» Sag mal«, sagt sie sanft und haucht ihm einen Kuß auf die Wange, » willst du nicht das Jackett ablegen? Die dicken Knöpfe machen mir blaue Flecken.«
» Ja, natürlich«, sagt er verlegen, hakt den Dolch los und knöpft das kurze Jackett auf.
» Wozu müßt ihr denn diesen Dolch herumtragen? Ist das nicht lästig?«, will sie wissen.
» Der gehört zur Uniform. Ist eigentlich nur eine Verzierung. Manchmal ist er schon im Weg«, gibt er zu, während er die Jacke über eine Stuhllehne hängt.
» Du, ich bin durstig. Sollen wir nicht…?«
» Der Champagner! Ja, natürlich, solange er noch kalt ist.« Er nimmt die beschlagene Flasche vom Tisch, dann schaut er sich um. » Wo habe ich die Sektgläser? Ach, richtig, einen Augenblick!«, und verschwindet in die kleine Küche. Er ist ein bißchen durcheinander, denkt sie, und vorhin hat er ganz rote Ohren gekriegt. Sie unterdrückt ein Kichern. Schon ist er wieder da, mit zwei blitzblanken Sektkelchen in der Hand. Sie nimmt sie ihm ab, während er sich mit dem Korken abmüht. Endlich knallt es, der Korken fliegt an die Wand, und er schenkt ein, etwas ungeschickt, Schaum läuft über. Er reicht ihr ein tropfendes Glas, hebt seines und sagt: » Na denn: auf dich!«
» Nein, auf dich!«
» Dann auf uns!«
Ihre Gläser küssen sich mit einem hellen, nachschwingenden Ton.
Kiel, U-Boot-Flottille, 1. Oktober 1912, Dienstag
Am späten Nachmittag verläßt Seiler die Schreibstube der Flottille, eine Aktenmappe unter dem Arm, die seine neue Kommandierung zum Herbststellenwechsel enthält. Der Flottillenchef hat ihm das Telegramm erst vor einer halben Stunde überreicht:
30 september 1912 rma tapken an mst o chef u-flottille kiel 9.32 v. m.
+ olt. z. s. adrian seiler zu nachrichtenabteilung rma berlin kommandiert. antritt sofort. +
kzs tapken, reichsmarineamt.
Die Stirn in nachdenkliche Falten gezogen, geht er über den knirschenden Kies auf das Strandstraßen-Tor zu. Er versucht sich vorzustellen, was ihm jetzt blüht. Ein Jahr im Reichsmarineamt, umgeben von Bürokraten in Uniform. In Ausschüssen arbeiten, am Schreibtisch sitzen, Nachrichten auswerten und weiterleiten. Das wäre die Schattenseite.
Andererseits wird Berlin auch seine Reize haben. Großstadt, Theater, Kinos, Cafés, jede Menge Unterhaltung, wahrscheinlich nicht ganz, aber doch fast soviel wie London. Und mit etwas Glück auch karrierefördernd, wie es der Dienst nahe am Sitz der Macht oft mit sich bringt.
Draußen am Straßenrand steht ein Herr im dunklen Mantel, der grüßend den Hut zieht. Es ist Reimers, mit Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart. Sie schütteln sich die Hände.
» Gratuliere zum Abschluß Ihrer Ausbildung«, sagt Reimers. » Nehme an, Sie haben kräftig gefeiert gestern abend?«
» Ja, aber nicht übertrieben kräftig. Kein Kater, falls Sie das meinen.«
» Nun, dann haben Sie sicher nichts dagegen, mit mir ein Gläschen Schaum auf Ihr Wohl zu trinken. Wie wär’s mit Rolfs am Schloßgarten?«
» Warum nicht«, erwidert Seiler, » aber ich wette, Sie sind nicht nur deswegen hier, hab ich recht?«
Sie biegen in den Düsternbrooker Weg ein, Richtung Schloß, und Reimers sieht ihn von der Seite an. » Sie wissen es schon, nicht wahr? Nach Berlin befohlen, in die Höhle des Löwen Tirpitz. Möchte Ihnen ein paar Worte dazu sagen. Aber erst der Schampus!«
Die kleine Frontterrasse des Café Rolfs ist bereits ohne Tische und Stühle, obwohl das Wetter noch ziemlich mild ist. Drinnen ist nicht viel los. Sie setzen sich ans Fenster, das einen Blick über Schloßbrücke und Förde erlaubt, und Reimers läßt eine Flasche Veuve Cliquot kommen.
» Meine Lieblingsmarke«, erklärt er, während der Kellner ihre Gläser mit dem platinfarbenen Champagner füllt, » schon, weil sie bei Wilhelm Busch vorkommt«, und zitiert: » Ach, wie lieblich perlt die Blase– der Witwe Cliquot in dem Glase! Auf Ihr Wohl, Seiler!«
Sie heben die Gläser und stoßen an.
» Ah! Das tut gut!« Reimers stellt das Glas hin und tupft sich mit der Serviette den Schnurrbart ab. Schwer zu sagen, ob der diesmal echt ist. Wann hat er ihn zum letztenmal gesehen? Ein paar Monate ist es her.
» Tja, mein Freund, was ich sagen will– vielleicht ist es ja eine Enttäuschung für Sie, falls Sie Ihre Zukunft unter Wasser verbringen wollten–, aber
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