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Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Jonathan steif, »Ihre Frau war mit anderen Eltern befreundet. Das weiß ich, weil ich mich gut an sie erinnere. Sie stand immer mit einer Gruppe von Freunden am Schultor.«
    »Jemand Spezielles?«, fragte Simone.
    »Nein. Aber …« Jonathan verdrehte die Augen nach oben, als wäre ihm etwas eingefallen.
    »Was ist?« Janice war halb aufgesprungen. »Was?«
    »Sie war an einem Zwischenfall beteiligt.« Er sah Damien an. »Erinnern Sie sich?«
    »An was für einem Zwischenfall?«
    »Mit einem der anderen Eltern. Es war unerfreulich.«
    »Das Bonbonglas? Meinen Sie das?«
    Jonathan lockerte seinen Kragen und sah Janice mit rot geränderten Augen an. Es war plötzlich heiß im Zimmer und wie elektrisch aufgeladen. »Es war am Montag nach einem Schulfest. Lorna, Mr. Grahams Frau, kam in mein Büro. Mit einem Bonbonglas. Sie sagte, sie hätte es auf dem Basar gekauft. Ich erinnere mich genau, weil es in dem Moment so merkwürdig erschien.«
    »Ein Bonbonglas?«
    »Ich hatte die Eltern gebeten, alte Gläser mit Bonbons zu füllen und mitzubringen, um sie auf dem Basar zu verkaufen. Für ein Pfund, glaube ich. Wir wollten in dem Jahr Geld für das Dach der Schule sammeln. Aber als Mrs. Graham mit ihrem Glas zu Hause war, fand sie darin …«
    »Da war ein Zettel drin«, sagte Damien. »Ein kleiner gelber Post-it. Und da stand was draufgekritzelt.«
    »Lorna – Mrs. Graham – las, was auf dem Zettel stand, und brachte ihn sofort zu mir. Sie wäre damit zur Polizei gegangen, aber sie befürchtete, es könnte ein Jux sein, und sie wollte nicht, dass die Schule Unannehmlichkeiten bekäme.«
    »Was stand auf dem Zettel?«
    »Da stand …« Er sah sie ernst an. »›Daddy schlägt uns. Und sperrt Mummy ein.‹«
    »›Daddy schlägt uns. Und sperrt Mummy ein‹ ?« Janice lief es eiskalt über den Rücken, und am liebsten hätte sie aufgehört zu atmen. »Haben Sie herausgefunden, wer das geschrieben hatte?«
    »Ja. Zwei meiner Schüler. Ich erinnere mich sehr gut an sie – zwei Brüder. Ich glaube, ihre Eltern lebten in Scheidung. Ich habe die Sache sehr ernst genommen, und – jawohl – ich habe das Jugendamt informiert. Es stellte sich sehr schnell heraus, dass es stimmte. Die beiden Jungen wurden von ihrem Vater misshandelt. Ein paar Monate vor der Sache mit dem Bonbonglas waren sie mal eine Woche nicht in der Schule. Als sie dann wiederkamen, wirkten sie sehr bedrückt.« Er rieb sich die Oberarme, als fröre er bei der Erinnerung. »Als das Jugendamt eingeschaltet war, bekam die Mutter das Sorgerecht für die Kinder. Der Vater ging nie vor Gericht. Er war bei der Polizei, wenn ich mich recht entsinne. Hat sich zurückgezogen und die Sorgerechtsentscheidung niemals angefochten …« Er sprach nicht weiter. Janice, Cory und Neil Blunt saßen vorgebeugt und mit bleichen Gesichtern in ihren Sesseln. »Was ist?«, fragte er. »Was hab ich gesagt?«
    Janice fing an zu zittern.

72
    E in Mann, ein ziemlich großer Mann, kauerte unbemerkt im Schatten eines alten, olivgrünen Telefonschaltkastens in einer Wohnstraße in Southville und beobachtete unverwandt den Vorgarten auf der anderen Straßenseite. Er trug Jeans, ein Sweatshirt und eine Joggingjacke aus Nylon. Nichts Bemerkenswertes eigentlich, aber aus der Gesäßtasche baumelte ein Stück bunter Gummi: ein Gesicht, faltig und schlaff. Der grinsende Mund einer Santa-Claus-Maske, wie man sie für ein paar Pfund in jedem Scherzartikelladen kaufen konnte. Sein dunkelblauer Peugeot stand ein paar hundert Meter weit entfernt. Seit die Frau in Frome ihn vor ihrem Haus gesehen hatte, hielt er mehr Abstand.
    Eine Frau in einem knallroten Mantel kam aus der Haustür; sie trug zwei Taschen und einen blau-gelben Babysitz und begann, ihr Auto zu beladen. Zuerst wurde der Babysitz sorgfältig auf der Rückbank befestigt und die Decke säuberlich festgestopft. Die Handtasche kam auf den Vordersitz, die Windeltasche in den Fußraum. Sie holte einen Eiskratzer aus dem Handschuhfach und beugte sich über die Motorhaube, um an die Windschutzscheibe zu gelangen. Für einen Moment wandte sie dem Mann den Rücken zu, und der nutzte die Gelegenheit, sich aus der Deckung des Schaltkastens zu wagen. Ruhig und aufrecht überquerte er die Straße und sah sich dabei nach allen Seiten um. Er drückte sich in eine Nachbareinfahrt und überquerte den Vorgartenrasen. In der Reihe der Büsche zwischen den beiden Häusern blieb er stehen und sah zu, wie die Frau zum Heck des Wagens ging und den

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