Verderbnis
wir auf uns selbst gestellt?«
»Ich verliere meinen Job.«
»Dann bleiben Sie hier im Wagen. Lügen Sie. Sagen Sie, wir sind Ihnen weggelaufen. Irgendwas. Wir werden es bestätigen.«
»Ja«, meinte Rose. »Bleiben Sie ruhig hier. Wir kommen zurecht.«
Eine Weile sagte niemand etwas. Nicks Blick wanderte zwischen Rose und Janice hin und her. Dann zog sie den Reißverschluss ihrer Regenjacke hoch und schlang sich einen Schal um den Hals. »Ihr Miststücke. Ihr werdet mich brauchen, wenn ihr es richtig machen wollt. Na los.«
Die drei Frauen liefen den Weg entlang. Der ohrenbetäubende Lärm des Hubschraubers über den Bäumen übertönte das Geräusch ihrer Schritte. Janice trug die hochhackigen Schuhe, die sie am Morgen angezogen hatte, um beim Treffen im Haus ihrer Schwester irgendwie präsentabel auszusehen. Hier waren sie völlig ungeeignet; halb humpelnd, bemühte sie sich verzweifelt, mit Nick Schritt zu halten, deren Füße in flachen Wanderschuhen steckten. Rose hastete schnaufend neben Janice her, die Hände in den Taschen ihrer adretten Wolljacke. Grimmig und alt sah sie aus. Das kleine pinkfarbene Tuch flatterte an ihrem Hals.
Hinter einer Wegbiegung trafen sie auf die erste Absperrung, ein Plastikband, das quer über den Pfad gespannt war. Dahinter lagen orangegelbe Trittplatten auf dem Boden, die sich zwischen den Bäumen aneinanderreihten. Ein Logbuchführer stand hier Wache. Nick zögerte nicht. Sie drehte sich zu Rose und Janice um, trabte rückwärts weiter und rief ihnen durch den Hubschrauberlärm zu: »Hören Sie, was auch passiert, lassen Sie mich reden, okay?«
»Ja«, antworteten die beiden. »Ja.«
Sie verfielen in schnelles Gehen. Nick zog ihren Dienstausweis aus der Tasche und hielt ihn in Augenhöhe. » DC Hollis von der MCIU «, schrie sie. »Ich komme mit zwei Angehörigen. Mrs. Bradley und Mrs. Costello.« Der Logbuchführer trat einen Schritt vor und sah sich stirnrunzelnd ihren Ausweis an. »Das Log, bitte.« Nick schnippte mit den Fingern. »Wir haben es eilig.«
Er zog sein Clipboard und einen Stift hervor und hielt ihnen beides entgegen. »Niemand hat mir was gesagt«, hob er an, als die Frauen sich um ihn drängten, um sich zu registrieren. »Es hieß nur, niemand darf hier durch. Ich meine, normalerweise lassen wir die Angehörigen ja nicht …«
»Anweisung von DI Caffery.« Nick gab ihm den Stift zurück und schob das Clipboard zur Seite. »Wenn ich sie nicht in fünf Minuten hingebracht habe, werde ich geköpft.«
»Durch die innere Absperrung werden die Sie auf keinen Fall lassen«, rief er ihnen nach, als sie weiterliefen. »Da hat’s eine Explosion gegeben. Da kommen Sie wirklich nicht durch …«
Der Hubschrauber legte sich auf die Seite und verließ knatternd das Waldstück. Es wurde still bis auf das Geräusch ihrer Schritte und ihres Atems. Sie liefen jetzt langsamer, um auf den unebenen Trittplatten nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Janice tat vor Anstrengung die Lunge weh. Der Weg führte sie geradewegs an einem Team der Spurensicherung vorbei; die Leute betupften und beklebten Skye Stephensons Wagen und schauten nicht auf, als die drei Frauen sie passierten. Kurz darauf sah Janice schwarze Flocken, die zwischen den Bäumen herabschwebten. Immer wieder entdeckte sie welche. Eine Explosion? Was für eine Explosion?
Aus der Ferne hörte man den Lärm des Hubschraubers, der zurückkam. Die Frauen blieben stehen, legten die Hand über die Augen, um das Licht abzuschirmen, und beobachteten, wie die Riesenkrähe den Himmel über ihnen verdunkelte.
»Was hat das zu bedeuten?«, schrie Janice. »Heißt das, sie haben ihn verloren? Ist er hier im Wald?«
»Nein«, rief Nick. »Das ist nicht derselbe Hubschrauber, nicht von der Luftunterstützung. Er ist schwarz-gelb, nicht blau-gelb.«
»Das heißt?«
»Das heißt, es ist wahrscheinlich der HEMS aus Filton.«
»Was ist ein HEMS ?«, schrie Rose.
»Helicopter Emergency Medical Services. Ein Rettungshubschrauber. Offenbar ist jemand verletzt.«
»Er? Ist er es?«
» Das weiß ich nicht .«
Janice ließ die andern stehen und rannte los. Ihr Herz hämmerte wie wild. Ihre Absätze verfingen sich in den Trittplatten; sie blieb stehen, schleuderte sie von den Füßen und lief auf Strümpfen weiter. Sie kam an einer frisch angelegten Schonung vorbei; die jungen Setzlinge steckten zum Schutz vor Kaninchen in Röhren. Sie lief über weiche, orangegelbe Polster aus Sägemehl, bis sie zu einer Stelle kam, wo der
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