Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Verderbnis

Titel: Verderbnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
Vom Netzwerk:
Zunge über die Lippen und läutete noch einmal.
    Diesmal hörte man ein Geräusch. Schritte auf der Treppe. Auf der anderen Seite der Tür wurden Riegel zurückgeschoben und ein Yale-Schloss geöffnet. Die Männer um Caffery strafften sich. Er trat einen Schritt zurück und zog seinen Dienstausweis aus der Tasche, klappte ihn auf und hielt ihn vor das Gesicht.
    »Ja?«
    Caffery ließ den Ausweis sinken. Ihm wurde bewusst, dass er die Augen zusammengekniffen und halb damit gerechnet hatte, dass etwas in seinem Gesicht explodierte. Aber in der Tür stand ein kleiner Mann in den Sechzigern. Er trug eine schmuddelige Weste, und seine Hose wurde von Hosenträgern gehalten. Sein Kopf war völlig kahl. Wenn die Pantoffeln nicht gewesen wären, hätte man denken können, man habe ihn aus einer Versammlung der British National Party geholt.
    »Mr. Moon?«
    »Ja?«
    »Ich bin DI Caffery.«
    »Ja?«
    »Sie sind nicht Richard Moon?«
    »Richard? Nein, ich bin Peter. Richard ist mein Junge.«
    »Wir würden gern mit Richard sprechen. Wissen Sie, wo er ist?«
    »Ja.«
    Jetzt trat eine Pause ein. Die Männer im Team wechselten Blicke. So glatt lief so etwas nie. Die Rechnung würde ihnen noch präsentiert werden. »Könnten Sie mir dann sagen, wo er ist?«
    »Ja – oben im Bett.« Peter Moon trat von der Tür zurück, und Caffery spähte an ihm vorbei in den Hausflur und die Treppe hinauf. Der Teppichboden war schäbig und lehmverschmiert. Die Wände trugen die Spuren von jahrelanger Abnutzung und Nikotin; braune Striche in Hüfthöhe ließen erkennen, wo Hände im Lauf der Zeit entlanggefahren und -geschrammt waren. »Wollen Sie reinkommen? Ich geh ihn holen.«
    »Nein, ich möchte, dass Sie herauskommen, wenn Sie nichts dagegen haben. Sie können hier bei meinen Kollegen warten.«
    Peter Moon trat auf den Gehweg hinaus. Ihn fröstelte in der Kälte. »Meine Güte. Was ist denn los?«
    »Haben Sie Fragen, Sergeant Wellard?«, fragte Caffery. »Wollen Sie etwas von ihm wissen?«
    »Ja. Mr. Moon, gibt es, soweit Sie wissen, Schusswaffen im Haus?«
    »Nicht in einer Million Jahren!«
    »Und Ihr Sohn ist nicht bewaffnet?«
    »Bewaffnet?«
    »Ja. Ist er bewaffnet?«
    Peter Moon sah Wellard aufmerksam an. Seine Augen wirkten leblos. »Ich bitte Sie.«
    »Heißt das ja oder nein?«
    »Das heißt nein. Und Sie werden ihm eine Scheißangst einjagen. Er hat nicht gern unerwartet Besuch. So ist Richard nun mal.«
    »Er wird sicher Verständnis haben. In Anbetracht der Umstände. Er liegt also im Bett? Wie viele Schlafzimmer gibt es da oben?«
    »Zwei. Sie gehen durch das Wohnzimmer in den Korridor; da ist eins auf der linken Seite, dann kommt ein Bad, und die Tür am Ende, das ist sein Schlafzimmer. Wohlgemerkt, das Bad würde ich im Moment nicht betreten. Richard war eben drin. Es stinkt, als ob da etwas in ihm krepiert wäre. Keine Ahnung, wie er das macht.«
    »Am Ende des Korridors.« Caffery deutete mit dem Kopf zur Tür. »Wellard? Alles klar? Kann’s losgehen?«
    Wellard nickte. Bei drei gingen sie hinein – das Drei-Mann-Team mit den Schilden zuerst. Sie rannten die Treppe hinauf und brüllten aus voller Lunge: »Polizei! Polizei! Polizei!« Der Hausflur füllte sich mit Lärm und Schweißgeruch. Wellard folgte ihnen mit drei Leuten, und Caffery bildete die Nachhut und nahm immer zwei Stufen auf einmal.
    Oben befand sich ein großes, von einem Paraffinofen beheiztes Zimmer, vollgestopft mit billigen Möbeln und Bildern. Das Team schwärmte aus, zog Sofas von der Wand, schaute hinter Vorhänge und auf den großen Schrank. Wellard hob die flache Hand: das Zeichen der Einheit dafür, dass alles klar war. Er zeigte zur Küche. Sie durchsuchten sie und gaben sie frei. Weiter ging es durch den Korridor; sie schalteten die Lampen ein und liefen am Badezimmer vorbei. »Ich würde ihnen den Gefallen tun und ein verdammtes Fenster aufreißen«, brummte Wellard, »aber er könnte die Gelegenheit nutzen und abhauen.« Auch im Bad war niemand. Sie erreichten die furnierdünne Tür am Ende des Flurs.
    Wellard sah Caffery an. »Fertig?« Er deutete mit dem Kopf zum unteren Rand der Tür, um Caffery darauf aufmerksam zu machen, dass kein Licht hindurchschimmerte. »Wir sind da.«
    »Okay – aber vergessen Sie nicht: Erwarten Sie das Unerwartete.«
    Wellard drehte den Türknauf, öffnete die Tür einen Spalt breit und trat zurück. »Polizei!«, rief er laut. »Hier ist die Polizei!«
    Nichts passierte. Er stieß die Tür mit dem Fuß ein

Weitere Kostenlose Bücher