Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
die italienische Polizei ist nicht allzu groß. Nein, ich werde der Sache selbst nachgehen. Vorläufig jedenfalls.«
»Und wie willst du das anstellen?«
Mark leerte sein Averna-Glas mit einem Schluck. »Zu Eva gehört doch Adam, richtig?«
»Esatto, das ist sogar typisch für diese Art von Figuren, da gehören immer zwei zusammen.«
»Also, dann machen wir das so: Bill muss sich als reicher Kunstsammler ausgeben und sagen, dass er nur an einer Eva zusammen mit Adam interessiert sei. Wenn wir Glück haben, ist der Adam woanders, und die müssen ihn erst herbeischaffen. Vielleicht ist er noch in den Händen meiner Entführer, dann könnte ich die Spur zurückverfolgen.«
»Sehr schön, mein Sherlock Holmes. Und was machst du, wenn auch der Adam im Laden ist?«
»Dann kommt Plan B zum Zug. Wir greifen uns den Antiquitätenhändler in einer Nacht-und-Nebel-Aktion und zwingen ihn, uns die Wahrheit zu sagen oder seine Kumpel zu verpfeifen.«
»Du hast wohl zu viele Filme gesehen?«
»Bestimmt nicht, ich gehe ausgesprochen selten ins Kino, und einen Fernseher besitze ich nicht.« Mark spielte nachdenklich mit dem leeren Glas. »Aber ich will die Sache versuchsweise mal selbst in die Hand nehmen. Das ist mir jetzt klar geworden. Du erinnerst dich an unser Gespräch von vorhin? Ich kann meine Entführung nicht so einfach zur Seite schieben. Das war schon eine böse Erfahrung. Wenn es mir gelingt, die Entführer aufzuspüren, dann geht’s mir glaube ich besser, entschieden besser.«
»Ich schätze, da wirst du Hilfe brauchen«, sagte Laura. »Immerhin bist du in Italien.«
»Wahrscheinlich hast du Recht. Immer vorausgesetzt, das ist wirklich unsere Eva.«
Laura stützte ihren Kopf in die Hände und sah Mark eindringlich an. »In Ordnung. Du versprichst mir, dass du nichts alleine unternimmst. Bill soll morgen die Identität feststellen, und er kann ja nach der anderen Bronzefigur fragen. Aber anschließend stoßt ihr wieder zu unserer Reisegruppe. Ich werde dir dann weiterhelfen.«
»Du wirst mir weiterhelfen?«
»Nicht ich. Aber ich kenne jemanden, der dir helfen kann.«
»Kann man ihm vertrauen?«
Laura schmunzelte. »Ja, man kann ihm vertrauen!«
»Ein verflossener Freund von dir? Ich glaube, mit dem Gedanken kann ich mich nicht so recht anfreunden.«
Jetzt musste Laura lachen. »Nein, du kannst beruhigt sein. Kein ehemaliger Freund. Viel besser! Aber du musst nicht alles wissen.«
32
A m frühen Morgen des nächsten Tages, auf dem Weg zum Frühstück, wurde Bill von Laura und Mark abgefangen. Sie zogen sich in eine stille Ecke zurück und erklärten ihm ihr Vorhaben. Wie erwartet, war Bill sofort mit Begeisterung dabei. Von der Entführung erzählten sie nichts, aber dass zwei wertvolle Bronzefiguren aus Marks Haus am Gardasee gestohlen wurden und dass sie eine davon in einem Antiquitätengeschäft ganz in der Nähe wieder entdeckt hatten. Das heißt, ganz sicher seien sie sich eben nicht, und deshalb solle Bill …
»I’m your man!«, unterbrach Bill ihre Ausführungen und klatschte in die Hände. »Was genau soll ich tun?«
Laura beschrieb ihm die Besonderheiten der Statue, erzählte ihm von der zugehörigen Figur des Adam, gab ihm kurze Erläuterungen zum Künstler und einige knappe kunstgeschichtliche Informationen.
»Macht euch keine Sorgen, das kriege ich hin. Ich habe mal in einem Fernsehfilm den Besitzer einer Kunstgalerie gespielt, diese Rolle ist mir wie auf den Leib geschneidert.«
»Aber nicht übertreiben«, versuchte Mark Bills Elan zu bremsen. »Du spielst hier nicht vor Publikum. Applaus gibt es nicht. Wichtig ist, dass der Händler keinen Verdacht schöpft. Du musst dich als Kunstsammler aus Amerika ausgeben. Wenn es sich wirklich um unsere Figur handeln sollte, dann ist die Frage nach Adam wichtig. Du musst ihm glaubhaft machen, dass du nur an einem Kauf beider Figuren interessiert bist und dass du dafür bereit bist, auch richtig Geld auszugeben.«
Laura sah mit leichtem Zweifel auf Bills Turnschuhe von Nike, die roten Shorts und das ausgewaschene T-Shirt mit der Aufschrift
New York Police Department
.
»Relax, das habe ich doch längst alles verstanden. Jetzt brauche ich erst mal ein vernünftiges amerikanisches Frühstück – Sausages, Potatochips, Ham and Eggs and so on. See you later.« Schon bei dem bloßen Gedanken an diese kulinarischen Genüsse zu so früher Stunde musste sich Laura schütteln, was Bill im Weggehen mit einem breiten Grinsen quittierte.
Eine
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