Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
soll ich dir sagen, es gibt diesen Adam.«
»Bill, ich liebe dich!«
»Das höre ich gerne. Leider bist du nicht mein Typ. Dieser Signor Morlotti hat mir versprochen, dass ich Adam morgen Vormittag im Laden besichtigen könne. Ich habe gesagt, dass es morgen sein müsse, weil ich nicht länger Zeit hätte. Wir haben auch schon einen Preis vereinbart, hunderttausend Dollar für beide Figuren zusammen.«
»Das würde ich mir an deiner Stelle noch überlegen«, gab Mark grinsend zu bedenken. »Meine Grandma hat vor einigen Jahren umgerechnet keine dreißigtausend Dollar dafür bezahlt.«
»Er war mir ja eigentlich ganz sympathisch, dieser Morlotti, aber jetzt halte ich ihn doch für einen Gauner. Nun, dann investiere ich das Geld wohl lieber in antike Barbiepuppen.«
»Ein reizvolles Sammelgebiet. Bill, du hast mir sehr geholfen. Ich werde mich dafür revanchieren. Jetzt besorge ich dir ein Taxi, und du fährst zur Trattoria Nalin am Brenta-Kanal, wo um zwölf Uhr unsere Reisegruppe zum Mittagessen eintreffen wird.«
»Du willst sagen, wir fahren beide zu diesem Lokal! Das hatten wir doch verabredet.«
»Nein, Bill, das macht keinen Sinn. Ich werde das Antiquitätengeschäft rund um die Uhr beobachten. Ich möchte die Anlieferung von Adam nicht verpassen.«
»Und Laura?«
Mark zog sein Handy aus der Hosentasche. »Ich werde sie anrufen und ihr alles erklären. Bill, nochmals tausend Dank. Wir sehen uns dann spätestens morgen in Venedig.«
»Und meine beiden Figuren? Was soll Morlotti von mir denken, wenn ich einfach nicht mehr komme?«
»Er wird denken, du hast es dir anders überlegt, kein Problem.«
»Richtig, kein Problem. Außerdem ist Eva nackt. Wenn ich eine nackte Frau sehen will, kaufe ich mir den
Playboy
.«
33
W ie erwartet, war Laura mit Marks Abänderung des Programms überhaupt nicht einverstanden gewesen. Er habe doch versprochen, zur Reisegruppe zurückzukommen. Und was wolle er denn machen, wenn die Figur wirklich angeliefert wird? Er habe doch nicht einmal ein Auto, mit dem er jemanden verfolgen könne. Da hatte sie wohl Recht, musste Mark zugeben, aber das war noch lange kein Grund, diese Chance nicht zu nutzen.
Mark sah auf die Uhr, es war kurz vor Mitternacht. Er saß auf einer leeren Obststeige hinter einem Müllcontainer in einer kleinen Seitengasse. Von hier hatte er das Antiquitätengeschäft gut im Blick. Schon am Nachmittag hatte er sich davon überzeugt, dass es keinen Hintereingang gab. Vor wenigen Minuten war Morlotti, der das Geschäft um zwanzig Uhr verlassen hatte, zurückgekehrt. Jetzt brannte im Laden Licht. Mark hielt das für ein viel versprechendes Zeichen. Konzentriert schaute er die Straße hinunter. Ob er bald einen Lieferwagen sehen würde, der mal als Gefangenentransporter gedient hatte?
Mark zuckte erschrocken zusammen, als ihn jemand auf die Schulter tippte. Hinter ihm kniete sich ein Mann nieder, den er im Dunkeln nicht genau sehen konnte.
»Mein Name ist Guido.«
Der Mann hielt ihm zur Begrüßung die rechte Hand hin. Schaute irgendwie nicht so aus, als ob dieser Guido ihn gleich niederschlagen würde.
»Kennen wir uns?«, fragte Mark, während er in die Hand einschlug.
»Jetzt kennen wir uns. Du bist Mark, richtig?« Der Mann sprach Deutsch, mit kräftigem italienischem Akzent.
»Stimmt, ja. Woher wissen Sie das?«, flüsterte Mark.
»Ich hab dir doch gesagt, ich heiße Guido. Wir sollten uns duzen, schließlich haben wir eine gemeinsame Freundin, Laura.«
»Sie, entschuldige, du kennst Laura?«
»Etwas, ja. Und sie hat mir erzählt, dass ich dich hier irgendwo in der Nähe dieses Ladens finde und dass du etwas verrückt, aber sonst ganz nett seist.«
»Das hat sie gesagt?«
»Ja, und noch einige Dinge, aber die waren vertraulich.«
Bevor Mark nachfragen konnte, hielt ihn Guido an der Schulter fest und deutete die Straße hinunter. Ein blauer Transporter, auf dem groß »Campari« stand, näherte sich dem Antiquitätengeschäft, blieb dort stehen, der Motor und die Scheinwerfer wurden ausgeschaltet. Aus dem Laden kam der Antiquitätenhändler und öffnete die Fahrertür. In Zeitlupentempo stieg ein Hüne von einem Mann aus, neben dem Signor Morlotti auf die Größe eines Kindes schrumpfte. Der große Mann machte ein paar Dehnübungen. Mark führte seine Kamera ans Auge und schoss einige Aufnahmen. Er hatte einen besonders lichtempfindlichen Film eingelegt.
»Per bacco, da haben wir uns aber ein schwaches Bürschchen ausgesucht«, flüsterte
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