Verdi hören und sterben: Ein Roman aus Venedig und dem Veneto (German Edition)
Principale klang etwas gepresst. Vielleicht hatte Carla gerade ein bisschen zu kräftig am Oberarm gezogen.
»Also, es haben sich bei unseren Routineüberprüfungen keine konkreten Verdachtsmomente ergeben, die uns ermittlungstechnisch weiterbringen.« Alberto war stolz auf diesen Satz, er hatte ihn gestern Abend in einem amerikanischen Fernsehkrimi gehört. »Aber wir haben einiges über Alessandro erfahren. Offenbar hat er nebenher Antiquitäten beschafft und an seinen Schwager Franco geliefert.«
»Bitte, Alberto, tue mir einen Gefallen und erzähle keine Sachen, die ich längst weiß. Dieser Franco hat ein Antiquitätengeschäft in Padua. Alessandro hat das nur gemacht, um seiner Familie zu helfen, das ist ehrenwert. Und außerdem hast du ihm schon seit Jahren dabei geholfen.«
Alberto schoss das Blut in den Kopf. Gleichzeitig fühlte er sich erleichtert, dass diese Klippe offenbar umschifft war.
»Ja, aber das ist noch nicht alles. Wie es scheint, hat Alessandro vor einigen Monaten jemanden entführt und dabei viel Geld erpresst.«
Alberto wartete ängstlich auf eine Reaktion. Als diese ausblieb, fuhr er fort. »Wir wissen nicht, ob er das in Ihrem Auftrag gemacht hat.«
Er hielt den Atem an. Natürlich wusste er, dass die Entführung einzig Alessandros Idee gewesen war. Schlimmer noch, er hatte bei ihr mitgewirkt. Aber was sollte er machen? Gustavo und Arturo hatten mit Mauro gesprochen, dem Sohn von Alessandros Patenonkel, und dieser Idiot hatte sich verplaudert. Gott sei Dank hatte er nicht erwähnt, dass sie zu dritt gewesen waren.
»Wen hat Alessandro entführt?«
»Einen jungen Engländer, er heißt Mark Hamilton. Alessandro hat ihn aus seinem Haus am Gardasee verschleppt und für seine Freilassung Geld erpresst.«
»Alessandro, Alessandro, sciocco ragazzo, du dummer Junge, was machst du für Sachen.« Der Principale sprach so leise, dass er kaum zu verstehen war.
Carla fuhr dem Principale mit der flachen Hand beruhigend, fast zärtlich über den dicht behaarten Rücken.
»Ich will alles über diese Entführung wissen. Sie ist nicht in meinem Auftrag erfolgt. Ich glaube aber nicht, dass sie Alessandros Einfall war. Das entspricht überhaupt nicht seiner Mentalität, ist außerdem viel zu kompliziert. Jemand muss ihn auf diese Idee gebracht haben.« Der Principale machte zwischen den einzelnen Sätzen lange Pausen. »Gut möglich, dass dieser Jemand Alessandros Mörder ist. Sehr gut möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich. Wer hat schon gerne Mitwisser?«
Alberto dachte daran, dass er selbst ein Mitwisser war und dass es ausgesprochen schwierig sein würde, seine Mittäterschaft gegenüber dem Principale zu verheimlichen. Warum hatte er sich damals nur auf dieses Spiel eingelassen? Aber Alessandro war nun mal sein Freund gewesen. Verdammt noch mal, er hatte ja wirklich keine Ahnung, wer der Drahtzieher der Geschichte war. Alessandro hatte einige Male mit jemandem telefoniert, daran erinnerte er sich. Und auch daran, dass Alessandro langsamer als üblich gesprochen hatte, ganz so, wie man es mit einem Ausländer macht, der nicht perfekt Italienisch kann. Außerdem hatte es ein paar Telefonate auf Deutsch gegeben, die er nicht verstanden hatte. Alessandro war immer stolz auf seine Deutschkenntnisse gewesen, die er in jungen Jahren erworben hatte, als er für einige Zeit als Rausschmeißer einer Bar in Hamburg gearbeitet hatte. Diese Telefonate mussten nichts besagen, aber vielleicht hatte er mit dem Auftraggeber der Entführung gesprochen. Das würde bedeuten, dass …
»Oder es war dieser junge Engländer.« Der Principale bekam einen Hustenanfall, den Carla mit einigen leichten Schlägen auf den Rücken zu lindern versuchte. Als er wieder Luft hatte, fuhr er fort. »Es könnte doch sein, dass er sich bei seinem Entführer rächen wollte. Auf jeden Fall solltet ihr ihn mal genauer unter die Lupe nehmen. Bleibt die Frage, wo das Geld ist? Gustavo, finde mal heraus, wie viel Alessandro auf der Seite hatte, er selbst und seine engste Familie, und ob da kurz nach der Entführung viel dazugekommen ist.« Wieder machte der Principale eine lange Pause. Carla knetete mit beiden Händen die Nackenmuskulatur. »Überhaupt möchte ich alles über diese Entführung wissen. Wie hoch war das Lösegeld? Stellt mir ein Dossier zusammen aus Polizeiberichten, Presseveröffentlichungen und so weiter.« Alberto sah, dass sich Arturo Notizen machte. Das war gut so, sie durften nichts vergessen. Der Principale
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