Vereint
nutzt die Tatsache, dass sie einen Vater entbehren musste, als Ausrede dafür aus, sich wie ein verwöhntes Biest aufzuführen, das überall Rabatz machen muss. Dabei hat man dir noch viel übler mitgespielt. Du hast deine Schwester verloren, deinen Vater und deine Mutter! Das war schmerzvoller als alles, was dieses Mädchen je mitgemacht hat, und doch kannst du noch lieben. Du kannst noch immer vergeben, und du bist stark. Du wirst eine unglaubliche Mutter und Ehefrau sein!«
Dad seufzte tief auf. »Sein ganzes Leben lang hat Rush Nan als sein Kind betrachtet. Er hat sie aufgezogen. Jetzt ist sie erwachsen, und es wird Zeit loszulassen. Er überlegt gerade, wie er das anstellt, und ich denke, das kriegt er hin. Er liebt dich. Das weiß ich. Das merkt selbst der größte Dummkopf.«
Hoffentlich hatte er recht. »Ich liebe ihn so sehr, dass ich ihm immer wieder verzeihe, wenn er sich für sie entscheidet, fürchte ich.«
Dad nickte, beugte sich vor und stützte seine Ellbogen auf die Knie. »Na, also, wenn das passiert, dann werde ich wohl nach Rosemary fliegen und den Jungen windelweich prügeln müssen. Du brauchst mich nur anzurufen. Schon bin ich da.«
Es war ihm ernst mit dieser Drohung, das sah man ihm an, und ich musste lächeln. Das war der Mann, den ich in meiner Kindheit so geliebt hatte. Der Mann, der Cain bei unserem ersten Date mit seiner Jagdflinte bedroht hatte. Ich ging zu ihm und schlang ihm die Arme um den Hals. »Ich liebe dich«, flüsterte ich.
»Ich liebe dich auch, Blaire-Bär.«
Ein lautes Hüsteln ließ mich zusammenfahren, und als ich mich umblickte, entdeckte ich den Typen von zuvor, der einmal mehr auf seinem Boot stand und uns beobachtete.
»’n Abend, Captain«, rief mein Vater aus, und der Mann hob grüßend sein Bier.
»’n Abend«, erwiderte er. Aber er ging nicht weg. Er blieb einfach da stehen.
»Das ist Blaire. Meine Tochter«, sagte Dad.
»Wir sind uns vorhin schon begegnet«, erklärte er Abe und zwinkerte mir wieder zu. Sofort fühlte ich mich unbehaglich. Rush würde es nicht mögen, dass er mir zuzwinkerte. Vielleicht blieben wir ja lieber nicht noch ein paar Tage hier. Ich war schwanger. Sah er das denn nicht? Wieso flirtete er mit einer Schwangeren?
»Na, dann ist ja gut. Freut mich, dass ihr euch schon kennengelernt habt.« Dad klang nervös. Irgendetwas stimmte nicht. War dieser Typ gefährlich?
Die Kajütentür ging auf, und ein verschlafener Rush kam heraus. Diesmal trug er kein Shirt, und seine Jeans war noch aufgeknöpft. Ich bezweifelte, dass er darunter überhaupt Unterwäsche trug. Er sah aus, als wäre er gerade aufgewacht, hätte gemerkt, dass ich nicht mehr neben ihm lag, und wäre daraufhin schnell in seine Jeans geschlüpft, um sich auf die Suche nach mir zu machen. Sein Blick wanderte von mir zu Captain und wieder zurück, und zu meiner Überraschung wurde seine Miene wütend und feindselig. Er hatte doch gar nicht mitgekriegt, dass der Mann mir zugezwinkert hatte, oder?
»Hallo, Abe«, sagte er mit verpennter Stimme, kam zu mir und zog mich an sich. Ja, er wollte mit aller Deutlichkeit klarstellen, wer hier zu wem gehörte. Wieso nur fühlte er sich bedroht? Verstand er denn nicht, dass ich ganz und gar besessen von ihm war?
»Hallo, Rush! Ich finde es zwar wirklich schön, Blaire bei mir zu haben, freue mich aber, dass du den Grips hattest, sie holen zu kommen«, erwiderte Abe. In seinem Ton klang eindeutig eine Warnung mit. Er ließ Rush wissen, dass er es nicht mochte, wenn ich mich vernachlässigt fühlte.
Rush nickte und küsste mich auf den Kopf. »Das wird nicht wieder vorkommen.«
Dad nickte. »Gut. Das nächste Mal bin ich nicht mehr so verständnisvoll.«
»Frisch verheiratet?«, fragte Captain, der immer noch dastand und uns beobachtete.
Rush spannte sich an, und ich schmiegte mich fester an ihn, um ihn zu beruhigen. Er wollte ja frisch verheiratet sein. Dass ein anderer unsere Beziehung infrage stellte, störte ihn.
»Sie sind verlobt«, erklärte Dad.
Captain deutete mit der Bierflasche in meine Richtung, als würde er auf meinen Bauch deuten. »Da stimmt doch irgendwas mit der Reihenfolge nicht, oder?« Kaum hatte er das gesagt, schob Rush sich auch schon mit wütender Miene an mir vorbei und überquerte das Boot, um sich Captain vorzuknöpfen. Ich lief ihm hinterher und konnte ihn gerade noch am Arm packen, bevor er das Boot verließ.
»Moment mal, nur die Ruhe«, forderte Dad in lautem Befehlston, den ich von ihm gar
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