Vereint
nicht kannte. »Ich wollte eigentlich warten und Blaire das Ganze in Ruhe und ohne Publikum erklären, aber es sieht so aus, als müsste ich es jetzt schon tun.« Er warf Captain einen verärgerten Blick zu. »Du und deine lose Zunge!«
Wovon redete er? Was wollte er mir denn erklären?
Rush hielt inne und drehte sich mit zornigem Blick zu meinem Vater um. »Keiner spricht so mit Blaire. Mir ist es scheißegal, wer er ist!«
»Ich hatte nicht Blaire angesprochen, sondern dich«, meinte Captain in gelangweiltem Ton und trank noch einen Schluck Bier.
Ich schlang beide Hände um Rushs Arm und hielt ihn fest.
»Jetzt reicht’s, Junge«, schnauzte Dad Captain an. Ich hätte ja gern eingewandt, dass er kein Junge mehr war, sondern ein Mann, der meinen Dad, ohne ins Schwitzen zu geraten, mal eben in die Mangel nehmen konnte. Mir war es lieber, er kam mit der Nachbarschaft weiterhin gut aus.
Captain hielt beide Hände nach oben und zuckte mit den Achseln. »Schön«, erwiderte er. Erstaunlich, wie schnell er einen Rückzieher machte.
Seufzend sah Dad mich an. »Vielleicht setzt du dich besser wieder«, meinte er.
Ich war mir nicht sicher, ob ich das, was er mir zu sagen hatte, überhaupt hören wollte. Warum musste ich mich dazu hinsetzen? Rush setzte sich auf meinen Platz, zog mich dann auf seinen Schoß und schlang die Arme um mich.
Dad sah zu Captain hinüber und furchte die Stirn. Was immer er mir zu erzählen vorhatte, wollte er mir eigentlich gar nicht erzählen. Das machte mich nervös.
»Ich habe mit sechzehn meine Highschool-Freundin geschwängert«, fing er an, und ich packte Rushs Arm und hielt mich daran fest. »Allerdings war Becca Lynn noch nicht bereit, Mutter zu sein, und ich war mit höllischer Sicherheit noch nicht bereit, Daddy zu sein. Also machten wir aus, das Kind zur Adoption freizugeben. Becca Lynns Eltern arrangierten die Suche nach passenden Eltern für das Kind, und dann bekam sie es, und das war’s. Wir blieben nicht zusammen. Nach der ganzen Aufregung um Schwangerschaft und Adoption war es mit unserer Liebe nicht mehr weit her. Nach dem Highschool-Abschluss ging sie auf ein College an der Westküste, und ich ging nach Georgia. Wir haben uns nie wiedergesehen«, sagte mein Dad seufzend und musterte mich einen Augenblick, bevor er weitererzählte. Rush drückte mich enger an sich, und ich hielt mich weiter an ihm fest. Ich war mir nicht sicher, wohin Dads Erzählung führen würde, aber mir schwante so etwas.
»Nachdem es dann dich und Valerie gab, ging mir auf, wie kostbar ihr wart. Ich liebte euch beide so dermaßen, dass ich eines Nachts zusammenbrach und eurer Mutter von dem Kind erzählte, das ich mit Becca gehabt und fast acht Jahre zuvor aufgegeben hatte. Und ich war völlig am Boden, weil ich ein Kind verloren hatte, von dem ich gedacht hatte, ich würde es nicht wollen. Na, und dann machte deine Mutter sich daran, das Kind zu finden. Sie suchte jahrelang. Doch immer führte alles nur in eine Sackgasse. Schließlich gab ich es auf. Sie allerdings nie!« Dad lachte traurig. »Letztes Jahr dann meldete sich ein Ermittler bei mir, den deine Mutter angestellt hatte. Er hatte eine neue Spur aufgetan, womit ich gar nicht mehr gerechnet hatte. Ich hatte keine Ahnung, was ich mit dieser Information anfangen sollte. Jenes Kind war ja jetzt erwachsen, und ich hielt das Ganze für sinnlos. Dann bekam ich einen weiteren Anruf. Mein Sohn wollte mich kennenlernen.«
Ich drehte mich in Rushs Armen, damit ich zu Captain sehen konnte. Er lehnte an seinem Boot und sah aufs Wasser hinaus, aber er hörte zu. Seine Körperhaltung war angespannt. Er wartete. War er … hatte ich etwa einen Bruder?
»Dann geschah die ganze Sache mit dir, und ich machte reinen Tisch. Ich brauchte einen Neubeginn. Musste versuchen, mein restliches Leben auf anständige Weise zu verbringen, nachdem ich bislang alles nur vermasselt hatte. Das einzig Gute, das ich je getan hatte, war, deine Mutter zu lieben und mit dir und Valerie gesegnet worden zu sein. Also rief ich meinen Sohn an und begab mich in den Süden, um ihn zu treffen.« Er machte eine Pause und wies mit dem Kopf zu Captain. »River Joshua Kipling, auch unter dem Namen Captain bekannt, ist dein Bruder.«
»Fuck!«, flüsterte Rush, und das hätte ich am liebsten auch gesagt. Hörten die Geheimnisse meines Vaters denn nie auf?
»Captain war das letzte Geschenk deiner Mutter an mich. Wäre sie nicht so entschlossen gewesen, ihn ausfindig zu machen, dann
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