Vereist (German Edition)
hatte das Gefühl, Jim tief enttäuscht zu haben. Er drückte eine Handvoll Schnee zu einem festen Ball zusammen und schleuderte ihn auf das Heck des Flugzeugs. Eigentlich hatte er Jim ja nicht persönlich hintergangen. Und wenn schon. Was tat das zur Sache? Wenn sie erst aus diesem Wald heraus waren, würde er Jim nie wiedersehen. Dass sie sich in Zukunft gemütlich auf ein Bier treffen würden, war eher unwahrscheinlich.
Er musste sich auf seine Mission konzentrieren. Alex formte einen weiteren Schneeball, zerdrückte ihn zwischen den Fingern und ließ die Stücke fallen. Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren.
Das Team hatte einen Kompromiss gefunden. Alle würden bis zum Morgen bleiben und dann die Situation neu bewerten. Heute würde keiner mehr zum Basislager aufbrechen. Sie wollten Linus’ Leiche zu den Piloten ins Cockpit bringen und dann im größeren Teil des Flugzeugs schlafen. Thomas schlug vor, das offene Ende des Wracks mit einer Schneewand zu verschließen. Dann hattensie es wärmer als im Zelt, und in den Flugzeugsitzen schlief es sich angenehmer als auf dem gefrorenen Boden. Alex fand, dass sich das gut anhörte. Vielleicht würden Ryan und Thomas nicht so sehr schnarchen, wenn sie in einer aufrechten Haltung schliefen. Nachdem er Thomas und Jim geholfen hatte, Linus ins Cockpit zu tragen, arbeitete Alex sich den Hang hinauf. Er wollte Brynn zur Hand gehen, wenn sie Ryan samt seiner Ausrüstung ins Flugzeug hinunterbrachte.
Warum hatte Jim Thomas noch nicht gesagt, dass er kein Marshal war?
Kein Marshal
. Die Worte schmerzten noch immer.
Alex hatte seinen Job geliebt und wusste, dass er ihn gut gemacht hatte. Er hatte einige Jahre in der Sicherheitsabteilung des U.S. Marshal Service gearbeitet, Bundesrichter und Bundesgerichte geschützt. Später war er auf eigenen Wunsch in die Abteilung für Häftlingstransporte gewechselt. Sie war für die Fahrten und Flüge von Straftätern zwischen verschiedenen Institutionen verantwortlich. Manche dieser Leute wurden quer durchs Land geschickt, andere in ihre Heimatländer überführt. Alex hatte viel Zeit in kleinen Flugzeugen wie in dem verbracht, das nun vor ihm im Schnee lag. Aber inzwischen trauerte er seiner alten Abteilung und der Arbeit an den Gerichten nach. Sein Vorgesetzter dort war nicht so inkompetent gewesen wie Paul Whittenhall.
Ohne Whittenhall hätte er seinen Job als Marshal sicher immer noch gehabt.
Schnaufend arbeitete Alex sich den Hang hinauf. Als Marshal musste man sich fit halten. Tägliche Trainingseinheiten gehörten zur Vorbereitung auf alle erdenklichen Situationen und Herausforderungen. Aber im Augenblick konnte er schon von Glück sagen, wenn er es einmal die Woche ins Studio schaffte. Er saugte die eisige Luft ein.
Guter Vorsatz Nummer eins: Wieder mit dem täglichen Training beginnen.
Aber eigentlich war das schon Vorsatz Nummer zwei. Der erste war, von den chemischen Hilfsmitteln loszukommen.
Als könnte er das vergessen. Seine zitternden Hände und der rebellierende Magen erinnerten ihn ständig daran. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass sein Körper sich schon so sehr an die Beruhigungsmittel gewöhnt hatte. Schließlich driftete er nicht im Drogennebel durch die Tage. Er nahm nur jeden Abend ein paar Milligramm, damit er schlafen konnte und keine Albträume hatte. Dazu hin und wieder ein oder zwei Gläser Whiskey zur Entspannung. Dass er abhängig war, ahnte er erst, seit sein Köper ihm das am Vortag signalisiert hatte. Offenbar war der Trip in die Wildnis in dieser Hinsicht ein Segen. Bewusstseinsbildung und Therapie in einem.
Bis zu Ryan und Brynn musste Alex noch ein paar hundert Meter zurücklegen. Hoffentlich war die Stimmung oben am Hang nicht ganz so angespannt wie unten. Bei Brynn und Ryan konnte er locker bleiben. Alex legte einen Zahn zu. Er wollte das Blitzen in Brynns braunen Augen sehen und sie lachen hören. Ein weiterer Vorsatz drängte sich auf. Doch er schob ihn kopfschüttelnd von sich weg. Er war noch nicht bereit für eine neue Frau in seinem Leben. Obwohl Brynn definitiv der Typ war, den er sich für einen zweiten Versuch vorstellen konnte. Sobald sie in der Nähe war, konnte Alex die Augen nicht von ihr lassen. Ein paarmal hätte er sie am liebsten berührt, in ihr Haar gefasst. Stattdessen vergrub er die Hände in den Jackentaschen und kam sich vor wie ein Schuljunge.
Oben am Hang konnte Alex schwach die Umrisse von Brynn und Ryan ausmachen. Er blinzelte. Es war, als würde er in ein
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