Verfehlung: Thriller (German Edition)
ihr.
»Du musst das jetzt fertig kriegen«, sagte Ellie leise zu sich selbst. »Und zwar heute noch.«
Sie stand auf, um zu schauen, ob der Schmerz oder die Übelkeit sich wieder einstellen würde. Einen Moment lang fühlte sich ihr Kopf ganz leicht an, und sie schwankte unsicher auf ihren Beinen.
»Weitermachen«, ermahnte sie sich selber. »Reiß dich zusammen.«
Wieder trat sie ans Fenster und zerrte an dem Ende des Brettes, an dem sie bereits die beiden Nägel entfernt hatte. Es ließ sich sofort vom Fensterrahmen lösen, und sie bog es ein wenig, damit auch die Nägel auf der gegenüberliegenden Seite sich lockerten und es ihr leichter fallen würde, sie herauszuziehen. Zwischendurch lutschte sie immer wieder an ihren wunden Fingerkuppen und spürte den metallischen Geschmack ihres Blutes im Mund. Sie hoffte, ihn nie wieder schmecken zu müssen.
Sie nahm den Kopf des unteren Nagels zwischen ihre Fingernägel und zog. Er löste sich sofort. Da sie nicht damit gerechnet hatte, hatte sie viel mehr Kraft angewandt als nötig. Sie verlor das Gleichgewicht, stolperte rücklings gegen die Wand und verursachte einen ziemlichen Lärm. Mit geschlossenen Augen hielt sie die Luft an. Durch die Wand hindurch nahm sie Musik wahr und hoffte, dass sie ihr Missgeschick übertönt hatte.
Doch dann hörte sie erst eilige Schritte und dann, wie die Tür aufgeschlossen wurde. Sie warf einen raschen Blick auf das Fenster und sah, dass das lose Ende des dritten Brettes auf dem darunter angebrachten aufstand. Zum Glück hatte sie die untersten beiden Bretter an Ort und Stelle belassen, doch jedem, der das Fenster genauer betrachtete, würde auffallen, dass das dritte Brett nicht mehr fest angenagelt war.
Der Türknauf bewegte sich. Ellie stieß sich von der
Wand ab und stellte sich in der Hoffnung, das Ergebnis ihrer mühevollen Arbeit zu verbergen, zwischen Tür und Fenster.
Die Frau blieb mit der Hand am Knauf im Türrahmen stehen. Sie sah erst Ellie an und musterte dann die kleine Kammer.
»Was tust du?«
Verzweifelt suchte Ellie nach einer Ausrede. »Ich wollte doch bloß ...«
»Ja? Was wolltest du tun?« Die Frau machte einen Schritt auf Ellie zu.
»Ich wollte nur etwas Sport machen, mich bewegen«, log Ellie.
Die Frau blieb stehen und musterte sie eindringlich.
»Aber mir ist schwindlig geworden, und ich bin hingefallen. Bitte tun Sie mir nichts.«
Sie wusste nicht, ob die Frau ihr die Lüge abnahm, und wurde panisch, als die Fremde noch einen Schritt näher trat und sie am Arm packte. Doch dann schienen ihre Züge sich zu entspannen, sie führte sie zum Bett und hieß sie sich hinsetzen.
»Dann machst du eben keinen Sport, du dummes Gör. Du bist verletzt und brauchst Ruhe.«
Ellie senkte beschämt den Kopf und nickte.
Die Frau blieb vor ihr stehen. Als Ellie aufblickte, hatte die Frau das Gesicht dem Fenster zugewandt.
Bitte nicht.
Bitte nicht.
Bitte nicht.
Auf der Stirn der Frau bildeten sich Falten.
Neinneinneinnein .
Dann hörte Ellie vorn in der Hütte das Telefon läuten.
Die Frau blickte zu ihr hinunter und verengte die Augen zu Schlitzen.
»Keinen Sport mehr, du dummes Ding.«
Ellie nickte. Als die Frau gegangen war, ließ sie sich auf ihren Rücken aufs Bett fallen. Sie versuchte die Tränen zurückzuhalten, aber vergeblich. Sie liefen ihr über die Wangen und ins Haar.
19
10:38 Uhr
»Wir befinden uns immer noch auf der A82, der Loch Lomond Road. Over«, sagte Hardys Stimme über die Lautsprecher.
»Verstanden«, bestätigte Cahill. »Mit welcher Geschwindigkeit?«
»Gleichmäßig knapp unter sechzig Meilen. Wir halten uns strikt an die Begrenzungen.«
»Gut. Wir versuchen zu dem Objekt aufzuschließen, bleiben aber mit dem Tempo ebenfalls im Rahmen. Wir wollen nicht irgendwelchen Verkehrspolizisten erklären müssen, warum wir es so eilig haben.«
»Verstanden. Wo seid ihr jetzt?«
»Wir nähern uns gerade der Erskine Bridge. Ich würde schätzen, dass wir ungefähr dreißig Minuten hinter euch sind. Wie ist der Verkehr?«
»Gut. Ist genug los, dass wir ihnen nicht auffallen dürften.«
»Okay. Ich melde mich wieder in zehn Minuten.«
Cahill beendete das Gespräch und wandte sich an Logan. »Gibt es entlang des Sees irgendwelche versteckten Ecken? Teile, die unzugänglich sind?«
»Die wird es bestimmt geben. Aber ich kenne mich hier nicht allzu gut aus.«
Cahill wirkte angespannt.
»Meinst du wirklich, dass sie Ellie so nahe bei der Stadt festhalten?«, fragte Logan. »Noch
Weitere Kostenlose Bücher