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Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Titel: Verflixte Hühnersuppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Aretz
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in die Hose. Ich krame in meiner Tasche und tue so, als hätte ich nichts gehört. Was glaubst du denn, was mir bei seinen Worten alles zu Eisklötzen gefriert?! Ich kenne den Mann! Das ist Hölle und Antarktis gleichzeitig, meine Gedanken rasen und kommen trotzdem keinen Schritt vorwärts! Vermutlich atme ich sogar rückwärts, ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich die Augen aufreiße und wie ein Goldfisch mit offenem Mund nach Luft schnappe.
    Lennon Dulack!
    In Pennsylvania (das ist in Amerika) habe ich mit ihm in einer Klasse gesessen, als er gerade 14 Jahre alt war. Wir haben Französisch und Deutsch gepaukt und wie alle anderen über die Lehrer geflucht. Fünfzehn Jahre müssen inzwischen vergangen sein – vielleicht auch mehr. Seine Grübchen an den Wangen sitzen noch immer an denselben Stellen, sie sind nur nicht mehr so intensiv. Aber seine Augen strahlen wie damals jugendlichen Schalk aus. Die Frisur trägt er heute kürzer, doch für sein jetziges Alter steht sie ihm super. Auch schlottern ihm keine abgetragenen Jeans mehr um die Beine und statt eines Pullis trägt er ein Hemd mit hochgekrempelten Ärmeln, frei nach dem Motto: Packen wir’s an – egal, was da kommt!
    Ich bin fix und alle, als mir klar wird, dass meine Tarnung bald auffliegt – sicher wird er mich sofort erkennen!
    Nun, irgendwann muss ich aus der Versenkung wieder auftauchen, nicht zuletzt, weil sich meine Klassenkameraden schon vor Lachen schütteln. Das wievielte Mal an diesem Morgen habe ich mich viel zu auffällig verhalten? Darüber will ich lieber nicht nachdenken …
    Schließlich entdeckt mich Dulack, doch ich habe mich zur Seite gedreht und meine Haare vor das Gesicht fallen lassen. Das ist pure Feigheit, ich geb’s zu, und es nützt mir überhaupt nichts.
    „Yannik, du bist also das Glückskind und darfst dich um die neue Mitschülerin kümmern“, lächelt er. Seine Stimme strotzt vor Energie. Dasselbe Lächeln wie früher. Kein Zweifel.
    „Klar!“, brummt Yannik auf Deutsch. „Babysitter spielen!“
    „Sorry? I didn’t understand you.“
    Ich drehe den Kopf. Es hat keinen Sinn, ich muss das wahrhaftige Fegefeuer durchleben und barfuß durch die Hölle gehen. (2)

    „Nadine?!“
    Meinen Namen ruft er wie aus der Pistole geschossen, sein Gesicht erstarrt und die Augen weiten sich.
    Jetzt stell dir mal vor, du begegnest jemandem nach etlichen Jahren, der noch haargenau so aussieht wie damals! Zweierlei sehe ich in dem Moment, da sich unsere Blicke treffen: Freude – und im gleichen Atemzug maßloses Entsetzen. Mein Herz lümmelt sich jedenfalls ganz da unten, irgendwo in den muffeligen Socken. Die Blicke meiner Klassenkameraden wandern zwischen mir und Dulack hin und her wie die Pendel alter Kuckucksuhren. Wir starren uns mit offenen Mündern an, ohne ein Wort zu sagen.
    „Y…yes, M…Mr. Dulack?“, stottere ich schließlich und kralle meine Fingernägel in das Holz des Tisches.
    „Nadine – was machst du hier? Wieso … wie bist du …?“
    Ich ziehe meine Stirn kraus und sehe ihn fragend an. „Sorry?“
    Im Dummstellen bin ich seit meiner Landung auf der Erde Meister, hocke ich nicht gerade vor Schreck unterm Tisch. Im Laufe der Zeit habe ich mir Ausreden zusammengeschustert, die vermutlich eine ganze Bibliothek füllen würden, sollte ich sie jemals zu Papier bringen. Von allen Seiten höre ich es tuscheln und flüstern. Deutlich kann ich sehen, wie es in seinem Kopf arbeitet.
    „Sorry“, sagt Dulack schließlich, „ich habe gedacht, du wärst jemand, den ich früher mal … Aber das kann gar nicht sein! Völlig unmöglich!“ Er schüttelt den Kopf, geht zu seiner Tasche und fordert uns auf, die Englischbücher herauszuholen. Wird auch Zeit, dass er mich links liegen lässt.
    „Wir sind gerade bei Unit five. Nadine, liest du uns bitte den Text vor?“
    Zu früh gefreut!
    Ich hole tief Luft, bevor ich beginne. Den Text kenne ich beinahe auswendig, ich lese ihn dennoch langsam und stotternd. Als ich zwischendurch einmal aufblicke, sehe ich, dass Dulack mich immer noch anstarrt.
    „Okay, that’s right“, sagt er schließlich. „Du hast einen amerikanischen Akzent, weißt du das?“
    „Vielleicht weil mich mein Onkel aus Amerika öfter besucht? Er hat mir beigebracht, auf Englisch zu lesen.“ Da, wieder eine Lüge aus meiner Bibliothek! Zu dumm nur, dass mein Kopf wie ein knallroter Luftballon glüht und jede meiner Aussagen infrage stellt.
    Dulack nickt, aber ich kann deutlich sehen, dass er

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