Verflixte Hühnersuppe (German Edition)
…?“
„So wie du gestern Abend herumgehampelt bist, schienst du leicht gehandicapt zu sein. Diesmal habe ich dich noch verschont, aber nächste Woche nehme ich keine Rücksicht mehr!“
Yannik bleibt stehen. Sein Gesicht nimmt die Farbe der grauen Fliesen an und mit ein bisschen Fantasie kann ich sogar eine schwarze Wolke um seinen Kopf schweben sehen. „Pah!“, sagt er nur, dann trampelt er hoch erhobenen Hauptes den Gang entlang.
„Siehst du …“, flüstere ich dem kleinen Stein in meiner Tasche zu. „So einfach ist es, einen Jungen zu vergraulen!“
Hm … Eigentlich hatte ich ja nur einen kleinen Scherz machen wollen. Das kommt davon, wenn man sich in einer Hochstimmung befindet und glaubt, die ganze Welt im Griff zu haben.
Aber jedem Größenwahn folgt der Fall. Ich sehe jetzt nicht nur ziemlich bedeppert aus, sondern habe neben Ricky auch noch Yannik zum Todfeind. Aber einer mehr oder weniger lässt mich nachts trotzdem nicht schlafen – und so setze ich eine überlegene Miene auf und stolziere in die Klasse.
Im Kunstunterricht sehe ich nur Yanniks Rücken. Er hat sich im Werkraum einen Platz so weit von mir entfernt gesucht, wie es eben nur geht. Da auch die anderen Schüler mich meiden, habe ich herrlich viel Platz zum Arbeiten. Das ist mir nur recht. Ich fühle mich wie jemand, der bei der Olympiade gesiegt hat, aber nun in einem übel riechenden Kuhfladen steht. Vermutlich wird mein Bild gerade deshalb sehr farbenfroh und gleichzeitig verworren, dass es dementsprechend ein echter Knüller ist. Jedenfalls meint das meine Kunstlehrerin Frau Brummhäuser, die das Bild in höchsten Tönen lobt. Meine Klassenkameraden scheinen da absolut anderer Meinung zu sein.
In der Pause sitze ich wieder auf dem Baumstumpf und werfe das Stöckchen in die Luft. „Ich sag’s dir, kleiner Freund“, murmele ich dem Stein in meiner Tasche zu. „Gleich müsste Katzenauge antanzen. Wetten, die macht diesmal Ernst? (1)
Nach zwei weiteren Stöckchen-Loopings sehe ich zuerst Teds roten Haarschopf, dann Rickys grüne Augen blitzen. Breitbeinig stellt sie sich vor mir auf und verschränkt mit boshafter Überlegenheit die Arme vor der Brust. Ihre vier Freunde versammeln sich erwartungsvoll hinter ihr, breit grinsend. Trotzdem sieht das nicht besonders humorvoll aus.
„Na, du kleiner Dummkopf?“, sagt Ricky herausfordernd. „Du scheinst es darauf anzulegen, Dresche von uns zu bekommen.“
Ich lächle so süß wie eine mit Zuckerguss glasierte Schlange. Im Angesicht der bevorstehenden Abreibung bleibt mir nichts anderes übrig. Vielleicht ist es auch der Galgenhumor, der sich mit einem etwas größeren Teil von mir selbstsüchtig beweisen will.
„Hi, Katzenauge!“, flöte ich. „Du wirst dich doch nicht mit mir anlegen, oder? Das ist doch unter deiner Würde!“
Da versucht der geringere Teil von mir, der mich zur Vernunft mahnt, sich mit ihr zu versöhnen. Aber gleichzeitig hat meine Stimme so provozierend geklungen, dass ich schon im nächsten Atemzug weiß, genau das Gegenteil zu erreichen.
Ricky ist für einen Moment verblüfft, aber dann durchschaut sie meine Zwiespältigkeit. „Du hast’s erfasst! Aber dass du’s weißt: Mit solchen Mätzchen kommst du bei mir nicht durch!“
So viel zu meinem Optimismus …
Sie nickt ihren Freunden zu, die ein paar Schritte auf mich zutreten. Strategisch wirkungsvoll, denn obwohl ich eine Außerirdische bin, habe ich am Hinterkopf trotzdem keine Augen.
Ich bin also umzingelt.
Ted packt meinen Arm und reißt mich hoch. Er ist einen Kopf größer als ich. Noch ein Grund, sich über Nachgeben und Kompromisse den Kopf zu zerbrechen, aber wie ich schon sagte: Der dümmere Teil von mir befindet sich gerade in Hochstimmung.
„Wie hast du mich genannt?“, zischt er.
Überrascht ziehe ich die Augenbrauen hoch. Was habe ich schon zu verlieren? (2) „Ich hab gedacht, Schuhbürste wäre ein Kompliment für dich …“
„Da hast du dich aber getäuscht!“ Ted stößt mich zurück und ich falle gegen einen Jungen, der die Figur eines Tannenzapfens hat, denkst du dir die Beine weg. Dieser packt mich am Handgelenk und dreht mir den Arm auf den Rücken.
Ich stöhne auf und gehe in die Knie und Tannenzapfen drückt mich mit Leichtigkeit weiter zu Boden. (3)
Ricky tritt mir gegen den Oberschenkel. „Verstehst du jetzt, was ich meine?“
Bevor ich antworten kann, kommt das zweite Mädchen der Clique auf mich zu. Sie hat tintenschwarzes Haar und eine ebenso
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