Verflixte Hühnersuppe (German Edition)
zucken sehen. Gierig frisst sich das Feuer durch jeden Spalt, springt Funken sprühend über und breitet sich wie ein gefräßiges Monster aus. Sirenen von Feuerwehr und Krankenwagen heulen durch die Luft, aber sie sind noch viel zu weit entfernt.
Sie werden zu spät kommen, falls noch jemand drin ist! Ich bin verzweifelt. In meiner Angst sehe ich Anna vor mir, wie sie sich mit schreckerfülltem Gesicht gegen die Wand presst, vom Feuer umzingelt …
Hastig blicke ich mich um. Vielleicht haben Anna und Franz sich retten können? Vielleicht stehen sie in der Menge und sehen zu, wie ihre Schreinerei in einen Haufen Kohle verwandelt wird? Ein paar Schritte neben mir entdecke ich einen Mann im Blaumann, er hat noch einen Hobel in der Hand, als würde er seine Arbeit sogleich fortsetzen wollen.
„Wo ist Franz?“, frage ich atemlos. „Ist Anna bei ihm? Wo sind sie?“
Der Blick des Mannes ist so trüb, als würde er jeden Moment zusammenklappen. Vielleicht hat er mich auch gar nicht verstanden.
„Franz ist in seinem Büro, er will nicht rauskommen“, sagt er schließlich heiser und mit dem Hobel zeigt er auf ein Fenster im oberen Stockwerk, in dem noch kein Rauch zu sehen ist. „Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist. Ich hab versucht, ihn vom Schreibtisch wegzuzerren, aber er hat sich gewehrt und gedroht, mich mit einem Messer zu erstechen!“
Ich stutze. Was ist mit Annas Freund los? „Ist eine Frau bei ihm? Anna Leuchten?“
„Nein, die gute Anna ist heute nicht gekommen, Gott sei’s gedankt!“
Ich bleibe für einige Sekunden reglos stehen. Anna ist gar nicht zur Arbeit erschienen? Und Franz will das Gebäude nicht verlassen? Das kann er Anna nicht antun! Ich muss ihm helfen – und zwar sofort! (1)
Ich greife in meine Tasche und hole den Stein hervor. „ Gib mir Schutz! Hilf mir, Franz zu finden! “, murmele ich, dann spurte ich los. Ich springe über ein paar glühende Holzbalken und laufe auf ein Fenster im Erdgeschoss zu, aus dem noch keine Flammen schlagen. Zum zweiten Mal an diesem Tag splittert Glas, Menschen schreien auf und die Sirenen der Feuerwehr dröhnen in meinen Ohren.
Jetzt kann ich dir natürlich von einer zirkusreifen Hechtrolle erzählen, aber zugegeben, meine Judokünste liegen im Moment auf unterstem Niveau. Wahrscheinlich hat die Angst sie am Schopf gepackt, ohne dass ich es bemerkt habe. Ich lande also ziemlich ungeschickt auf dem Boden der Werkhalle. Nur tröstlich, dass es niemand gesehen hat …
Der Qualm beißt mir in den Lungen und die Hitze brennt wie Glut auf meiner Haut. Ich kann kaum etwas erkennen, halb blind laufe ich in die Halle hinein. Ich weiß, dass der Kristall meinen Auftrag ausführen wird. Das Feuer greift nicht auf mich über und ich bekomme gerade so viel Luft, wie ich zum Atmen brauche.
Am Ende des Raumes entdecke ich eine Treppe. Flammen lechzen von allen Seiten und der Rauch verdichtet sich zu einer undurchdringlichen Masse.
Wieder spüre ich, wie meine Beine unter mir zu versagen drohen, doch ich wische die Angst mit der Begründung fort, dass ich durch den Kristall geschützt bin. (2) Also versuche ich, Luft zu holen. Ich erinnere mich, dass bei einem Feuer die eingeschlossenen Personen meist nicht durch die Flammen sterben, sondern im Rauch ersticken – und der ist im Treppenhaus am stärksten. Mein Feind hat also die Gestalt gewechselt, er wabert wie eine unschuldige Dampfwolke mal rußgeschwärzt, mal fast unsichtbar um mich herum. Und er riecht nach verbranntem Leim, der sogar giftig sein kann. Deshalb hole ich doch lieber nicht so tief Luft, sondern stürze mit angehaltenem Atem die Treppe rauf. Mein Kopf schwillt an und droht zu bersten.
Als ich die erste Tür öffne, röchle ich nach Sauerstoff. Mein ungebetener Feind folgt mir natürlich unaufgefordert, ich kann nichts dagegen tun. Nach einem hastigen Blick durch die Kammer ducke ich mich und schnelle zur nächsten Tür. In den Toilettenräumen ist auch niemand, erst die nächste Tür bringt mich endlich zu meinem Ziel.
Ein Mann mit grauem Haar sitzt am Schreibtisch, den Kopf auf beide Hände gestützt. Als ich durch die Tür hetze, schreckt er hoch und sieht mich mit wässrigen Augen an. Vor ihm liegt ein aufgeschlagenes Telefonbuch – und mitten in den Seiten steckt ein Messer. Ich entdecke sofort die aufgerichtete Python, die in den Griff eingraviert worden ist. Mit offenem Mund starre ich darauf und für Sekunden vergesse ich die Welt um mich herum. Die ersten Rauchschwaden
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