Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Verflixte Hühnersuppe (German Edition)

Titel: Verflixte Hühnersuppe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Aretz
Vom Netzwerk:
Farben!
    „Du lebst?“, flüstere ich und zum ersten Mal nehme ich die Form des Trigonischen Kristalls wahr, zum ersten Mal kann ich begreifen, was für einen Schatz ich in meinen Händen trage. Tausende Male habe ich ihn betrachtet, ihn verwandelt und mit ihm gesprochen. Aber genau jetzt scheint er zu blühen, zu explodieren und – zu leben!
    Der Wolf darf dich nicht in die Hände bekommen! Ich fasse den Entschluss in wahrhaftig allerletzter Sekunde, ich werfe meinen Arm mit dem Kristall nach unten und rufe: „ Hilf mir, kleiner Freund! “
    Mit dem Aufschlag kommt mein Zeitgefühl zurück. Obwohl ich dann doch noch wie auf ein weiches Kissen falle, reicht es kaum aus, den Sturz aus dem vierten Stockwerk abzufangen. Ich fühle, wie mir die Luft aus meiner Lunge gepresst wird. Einige Sekunden lang glaube ich, ohnmächtig zu werden. Leuchtende Sterne kreisen vor meinen Augen, Schreie dringen zu mir hindurch. Langsam öffne ich die Augen.
    Und das werdet ihr mir jetzt nicht glauben …
    Der blaue Frühlingshimmel strahlt über mir, so klar und friedvoll habe ich ihn noch nie gesehen. Also bin ich doch verrückt , denke ich. Aber da ist noch die zerbrochene Fensterscheibe im vierten Stock – und gerade springt der schwarze Schatten eines Tieres dort heraus.
    „Verkokelte Hühnersuppe!“, fluche ich, rolle mich hustend zur Seite und sehe verwundert auf ein Dutzend prall gefüllte Müllsäcke, die genau unter dem Fenster liegen. „Danke!“, flüstere ich dem Kristall zu. Und während ich ihn in meiner Tasche verschwinden lasse, springe ich auf und schaue mich nach dem Schatten um. Der Wolf ist mir tatsächlich nachgesprungen! Als er auf dem Boden aufschlägt, verwandelt er sich in einen Menschen – oder ist er vorher ein Mensch gewesen und jetzt ein Wolf? Er rollt drei bis vier Mal über den Boden und bleibt dann regungslos liegen.
    Ist er tot?
    Als ich aber sehe, wie sich eine seiner Fingerspitzen rührt, reicht mir das aus. Um zum Schultor zu gelangen, müsste ich genau an ihm vorbei, ein Weg, den ich nicht einmal im Traum einschlagen würde. Schnell ziehe ich den Sprechfunk hervor und brülle hinein. „Yannik! Katzenauge! Wo seid ihr?“
    Schon bei den ersten Worten schlägt der Wolf die Augen auf, dreht sich um und sieht mich an. Mit seinen beißenden gelben Augen fixiert er mich und mit nur einem Satz springt er auf Hände und Füße und sein Kopf duckt sich zum Sprung.
    „Ich muss über die Mauer!“, schreie ich und laufe los, ohne den riesigen Jungen aus den Augen zu lassen. „Ihr müsst mir helfen!“ Mehr Atem für Erklärungen bleibt mir nicht. Ich sehe den Wolf aus den Augenwinkeln und ich weiß, er wird mich einholen.
    „He! Sie da!“, brüllt plötzlich jemand.
    Mahlhofer kommt angewetzt wie ein Dackel auf zwei Pfoten. Hätte ich mehr Zeit gehabt, wäre ich stehen geblieben und hätte mir seinen Spurt angesehen, um einen Lachanfall zu bekommen. Der Lehrer schlägt wild gestikulierend die Arme über den Kopf und schreit, als ob er um sein Leben rennen würde. Als folge ihm ein Monster, um ihn zu fressen, doch genau genommen steht es vor ihm. Der Wolf dreht sich verdutzt um – und Mahlhofer läuft genau in ihn hinein. Nicht, dass es irgendwas geändert hätte, außer dass ich ein paar Sekunden mehr Zeit gewonnen habe. Mahlhofer taumelt benommen zurück, schüttelt sich, senkt den Kopf und rennt erneut auf den Jungen los. Ist er jetzt völlig durchgedreht?
    Ein paar Schüler spurten ebenfalls herbei, springen den Wolf an und klammern sich an ihn. In einigen erkenne ich meine Polis wieder, aber andere habe ich noch nie gesehen. Der Wolf versinkt in einem Knäuel aus Leibern, Beinen und Armen. (12)

    Dann sehe ich Yannik und Ricky vor mir. Sie lehnen mit vorgebeugtem Körper an der Wand und haben die Beine gegrätscht. Es ist sicher nicht die leichteste Art, so über die Mauer zu springen, doch es ist mehr, als ich zu hoffen gewagt habe. „Ich komme!“, schreie ich und mit einem kräftigen Satz stoße ich mich vom Boden ab, lande mit einem Fuß auf Yanniks Rücken und spüre, wie er zur Seite weggleitet. Dort aber steht Ricky, die sich ihm entgegenstemmt, und so kann ich mich noch einmal kräftig abdrücken, bevor Yannik jaulend zusammenbricht.
    Mit den Händen bekomme ich den Rand der Mauer zu fassen. Strampelnd und zappelnd kratzen meine Turnschuhe an den Steinen entlang, bis mein rechter Fuß Halt findet. Endlich kann ich mich hochziehen. Einen Moment lang japse ich nach Luft, dann richte

Weitere Kostenlose Bücher