Verflixtes Blau!
Hinterhalten zahlloser kleiner Trupps ausgesetzt sehen. Mit Hilfe eines Sklaven, der ihrer abscheulichen Sprache mächtig ist, konnten wir aus einem Gefangenen herauspressen, dass sich die Stämme unter einem neuen König vereint haben, den sie den Farbenbringer nennen. Dieser reist mit einer geheimnisvollen Kriegerin, die seine Armee anführt. Ob Mythos oder nicht, hier am Ende der Welt stellt dieses » Bemalte Volk« eine außerordentliche Bedrohung für das Reich dar, und ohne Soldaten, welche die Neunte ersetzen, und zwei zusätzliche Legionen, welche uns mit Proviant versorgen, werden wir, wie ich fürchte, nicht in der Lage sein, die nördliche Grenze gegen sie zu halten.
Erwartungsvoll harre ich Eurer Instruktionen.
In ewiger Treue
Quintus Pompeius Falco
Statthalter, Britannien
Falco trat an den Rand der Veranda und blickte über die Hügel hinaus. Vor seinem inneren Auge sah er Olivenbäume, Zitronenbäume, einen Weinberg, der unter der warmen, etruskischen Sonne reifte. In Wahrheit sah er graue Steine, die wie zerklüftete Zähne aus den moosigen Hügeln aufragten, und einen tief hängenden Nebel, der unter aschfarbenen Wolken durch die Täler kroch.
» Genug Kontext?«, fragte der Statthalter. » Oder soll ich noch mehr auf die Dringlichkeit eingehen, diesen elenden Morast zu sichern und die blau gefleckten Affen im Namen des Römischen Reiches zu unterwerfen?«
» Stimmt es denn, Herr«, fragte der Sekretär, » dass die Pikten sich unter einem König vereint haben?«
Falco machte auf dem Absatz kehrt, um seinen Sekretär zu mustern, der unter dem Blick zusammenzuckte. » Sie haben eine Römische Legion vernichtet, die wirkungsvollste Kriegswaffe, die die Welt je gesehen hat. Wen interessiert es, ob es stimmt? Sie sind gefährlich.«
» Also sind wir sicher, dass die Neunte an die Pikten verloren ging?«
» Dann hast du ihre Botschaft nicht gesehen?«
» Nein, Herr. Ich verlasse die Villa nicht.«
» Wachen fanden den Kopf des Legionskommandeurs auf einem Stock. Draußen vor den Mauern des Forts– nicht an der Grenze, sondern direkt hier vor meiner Haustür. Er trug noch seinen Helm, an dem eine Botschaft hing, mit dem teuflischen Blau auf ein Schaffell geschrieben.«
» Geschrieben, Herr? Die Wilden haben eine Schrift?«
» Es war Lateinisch. So fehlerfrei, als hättest du die Buchstaben gemalt, Schreiber. Da stand: Tut mir leid. Ein Versehen. Ließ sich nicht vermeiden.«
» Was hat das zu bedeuten?«, fragte der Schreiber.
In ebendiesem Augenblick hörten sie einen Schrei, als kreischten hundert Falken gleichzeitig, und Falco sah, wie eine gewellte, blaue Linie aus dem Nebel heranwuchs, drüben auf der nördlichen Hügelkette– eine Linie von Kriegern. Wieder dieses Kreischen, und die Hügel im Osten färbten sich blau. Dann noch einmal, und die westlichen Hügel wurden blau vor Kriegern, die wie eine gewaltige Woge auf das Fort und die Römische Garnison hinter ihren Toren zurollten.
» Es bedeutet, dass wir Rom nie wiedersehen werden«, sagte Falco.
Sie hatten den Wald verlassen und kamen in ein Dorf der Pikten, nachdem sie durch ganz Europa gereist waren, um dorthin zu gelangen– auf ein bloßes Gerücht hin, eine Sage, ein Geheimnis, das sich im Flüsterton unter jenen verbreitete, die erobert und dann von den Römern versklavt worden waren.
» Diese Spinner malen sich von Kopf bis Fuß blau an«, sagte Bleu. » Ich sage dir, Stinkfurz, hier sind wir richtig. Die Knirpse werden uns lieben!«
Sie trug nur einen Lendenschurz, der von einem breiten Ledergurt gehalten wurde, und zwei römische Kurzschwerter, die sie toten Legionären in Iberien abgenommen hatte. Ihre Haare waren zu fünf langen Zöpfen geflochten, verkrustet vom Sacré Bleu, das sie mit den Fingern grob auf ihrer Haut verschmiert hatte. Einst war sie ein Mädchen der groß gewachsenen, hellhäutigen Teutonenstämme oberhalb des Rheins gewesen, doch schon seit Monaten war sie nur noch Bleu.
» Hier ist es nass und kalt«, sagte der Farbenmann.
Er trug ein knöchellanges Gewand aus ungeschorenem Schaffell, an dessen Saum Stöckchen, Blätter und Kletten hingen, und dazu eine Schaffellmütze, die er sich tief ins Gesicht gezogen hatte. Aus der Ferne sah er aus wie ein misshandeltes, unattraktives Lämmchen.
» Du wirst schon sehen«, sagte Bleu. » Sie werden uns lieben.«
Sie gaben alles Sacré Bleu, das sie bei sich hatten, den Pikten, die es mit Tierfett mischten und sich gegenseitig Gesicht und Körper
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